19 Mär 23 — 17 Sep 23
Lehm als Baustoff haben zahlreiche Tiere entdeckt und auch der Mensch nutzt ihn seit Jahrtausenden. Die Studienausstellung zeigt die Wunderwerke lehmbauender Wespen, töpfernder Vögel und Objekte mörtelnder Menschen. Besonders Töpferwespen beeindrucken durch ihre Bauten für den Nachwuchs. Kügelchen für Kügelchen bauen diese Tiere kleine Töpfe, Röhren oder ganze Nester mit mehreren Brutzellen. Aber es handelt sich nicht um einen Staat mit hunderten von Arbeiterinnen. Jedes Töpferwespen-Weibchen ist ihre eigene Königin und übernimmt vom Nestbau bis zur Nahrungsbeschaffung die Arbeit ganz allein.
Neben zahlreichen Originalobjekten, Filmen und Fotografien sind in der Ausstellung auch Großmodelle zu erforschen.
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Im feuchten Zustand ist Lehm leicht verformbar, getrocknet hart wie Stein. Viele Tiere machen sich das für den Bau ihrer Heimstätten zu Nutze. Sie graben in den Lehm hinein, drücken das Material in Form oder errichten freistehende Bauten daraus. Die kleinsten Gebilde werden von Bienen und Wespen geschaffen. Einige der grazilen Brutzellen sehen aus wie winzige getöpferte Krüge. Lehmnester von Vögeln nehmen schon größere Ausmaße an. Frei hängende Nester müssen mitunter die Last einer ganzen Schwalbenfamilie tragen. Die kompliziertesten Lehmbauten mit mehreren Kammern und Türmen bauen Termiten. Sie planen die Klimatisierung der Kolonie beim Bau mit ein.
Auch ein großer Teil der Menschheit lebt in Unterkünften, die in Erdbauweise errichtet sind. Sehr verschiedene Lehmbautechniken haben sich aus den örtlichen Gegebenheiten entwickelt und werden bis heute praktiziert. Die mehrgeschossigen Lehmtürme in Shibam im Jemen oder auch Fachwerkbauten Mitteleuropas zeugen von der Langlebigkeit der Lehmbauten. Für den Neubau wird Lehm in Deutschland erst seit kurzem als regionaler und nachhaltiger Baustoff wiederentdeckt. Aus einem Bestandteil des Lehms, reinem Ton, wird Keramik hergestellt.
Getöpferte Behältnisse ermöglichten frühen Ackerbauern die Vorratshaltung von Lebensmitteln und begleiten uns heute in Form von Tellern und Tassen täglich. So spielt der Lehm auch für das Überleben des Menschen eine wichtige Rolle.
Lehm ist ein Gemisch von Mineralkörnern mit unterschiedlichen Durchmessern. Sandkörner sind die größten (2 — 0,063 mm), danach kommen Schluffteilchen (0,063 — 0,002 mm) und die feinsten Bestandteile sind Tonteilchen (< 0,002 mm). Diese feinen Körnchen waren einmal Teil großer Gesteine. Mit der Zeit haben Wind, Regen und Frost sie gelockert und zerkleinert.
Anders als der Sand einer Strandburg, die leicht zusammenstürzt, bleibt Lehm auch nach dem Trocknen stabil. Die winzigen Tonminerale im Lehm, wie Kaolinit, Illit oder Montmorillonit, bilden Kristallblättchen. So haben sie eine sehr große Oberfläche, an die sich Wasser anlagert. Das Wasser hält die gröberen Körnungen wie Schluff und Sand zusammen. Sie können aber auch aneinander vorbeigleiten, deshalb bleibt nasser Lehm verformbar.
Trocknet der Lehm, stopfen die kleinen Tonminerale die Lücken zwischen den größeren Sand- und Schluffkörnern und stabilisieren das Kornskelett. Doch bei der Trocknung schrumpft der Lehmklumpen und es können Risse entstehen. Bei reinem Ton ist dieser Schwund am größten. Durch Magern, also das Beimengen von Sand, Stroh oder anderen Materialien, kann die Schrumpfung vermindert werden.
Wenn ein Preis für die Größe und die raffinierteste Architektur von Lehmbauten vergeben würde, stünden die Termiten auf der Treppe. Mit bis zu 28 Metern Durchmesser, einer Höhe von sieben Metern und einer Tiefe von bis zu 40 Metern können ihre Bauten im Verhältnis zur Körpergröße als die größten auf diesem Planeten gelten. Im Gegensatz zu den Ameisen ist dies das Werk von männlichen und weiblichen Tieren, die über Jahrhunderte zu Millionen daran arbeiten.
Aus den Kellern transportieren sie Wasser, aus der Umgebung passenden Lehm und Pflanzenmaterial heran. Ihr eigener Körper liefert Kot und aus Drüsen besonderen Kleber für das Baumaterial. Daraus entstehen eine feste und uneinnehmbare Hülle mit tausenden Kammern, Gängen, Schloten für Nahrung, Gärten und Nachkommen, sowie eine Luxuskammer für das Königspaar.
Von größter Bedeutung ist der Erhalt eines gleichmäßigen und jeweils angepassten Klimas. Dafür sorgt ein komplexes Gefüge von Schloten und Kammern, die passiv kühlende oder wärmende Luft an die richtigen Orte leitet. Aktiv öffnen und schließen die Tiere dazu Gänge.
An fast jedem Gewässerrand finden sich Gäste ein, die dort meist ihren Durst stillen. Andere nutzen, wenn vorhanden, den feuchten Lehm für den Hausbau. Zu den größten Lehmnutzern zählen wir selbst, zu den schnellsten die Schwalben und zu den kleinsten die Wespen und Bienen. Stimmt die Konsistenz und der Feuchtegrad, kann man schon im Vorfrühling Mauerbienen (Osmia sp.) dabei beobachten, wie sie den Lehm mit den Beinen und Mundwerkzeugen kneten und die schwere Last zu ihren Niströhren transportieren. Dort dient das Material dem Verschluss einer Brutkammer.
In den heißen Monaten folgen andere Besucher, wie Deltawespen (Delta unguiculatum), Pillenwespen (Eumenes sp.) und Mörtelwespen (Sceliphron sp.), die aus dem Lehm vollständige Brutkammern in Form von Töpfen bauen. Auch kommen Honigbienen und soziale Faltenwespen angeflogen, die dort Wasser zur Kühlung ihrer Nester aufnehmen. Letztere sind oft nicht abgeneigt, nebenbei andere zu jagen und statt des Wassers das Fleisch zu bevorzugen. Daher gilt für alle Besucher: aufmerksam bleiben und den Aufenthalt kurzhalten!
Mi, 29 Mär 23, 12:15
Naturpause
Leben aus Lehm
Mit Lisa Schwarz, M.Sc.
Di, 9 Mai 23, 18:00
Vortrag
Chemische Interaktionen bei Wespen — Kommunizieren, Erkennen und Konservieren
Mit Prof. Dr. Thomas Schmitt
Leben aus Lehm
Life from Loam
Hrsg.: Museum Wiesbaden 2023
Autor:innen
Lisa Schwarz, Fritz Geller-Grimm, Hannes Lerp, Andy Reymann, Susanne Kridlo
76 Seiten mit 36 Abbildungen dt./en.
26 x 19 cm, Hardcover
ISBN: 978-3-89258-141-3
12,— Euro
Hier finden Sie das Begleitprogramm zur Ausstellung, sobald es im Veranstaltungskalender veröffentlich wurde.