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Moritz Frei: I don’t believe in dinosaurs

INTERVENTION

Moritz Frei (*1978), I don´t believe in dinosaur, 2017/2024. Installiert auf dem Kolonnaden-Dach am Museum Wiesbaden. Weißes Neon mit Alu-Rückkonstruktion, 45 x 600 cm © Moritz Frei, Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Glauben Sie an Dinosaurier?

In Neonschrift leuchtet Moritz Freis Botschaft auf dem Dach des Museums Wiesbaden. Mitarbeiter:innen des Hauses haben sich dem Werk aus unterschiedlichen Perspektiven genähert.

Dr. Jörg Daur, Kustos moderne und zeitgenössische Kunst

Ich glaube nicht an Dinosaurier! Ein Junge verlässt das Berliner Naturkundemuseum und äußert Unglauben gegenüber der Existenz von Dinosauriern. Was Ausgangspunkt der Installation von Moritz Frei ist und uns zunächst staunend zurücklässt, wirkt bald trotzig, kindisch – dann aber macht es nachdenklich: was wissen wir über Dinosaurier? Sind wir ihnen doch tatsächlich nie „in echt“ begegnet. Ja, Skelette kennen wir und auch Rekonstruktionen, aber was heißt das schon.

So gesehen kann der Unglaube des Jungen uns viel mehr sein, als ein vielleicht nur aus kindischem Trotz hingeworfenes „Pah, ich glaub' da (trotzdem) nicht dran! (auch wenn ich gerade noch zwischen deren Knochen spazieren durfte, oder musste)“. Vielleicht reicht der Ausruf tiefer, verweist auf ein Infragestellen, gerade auch jeder noch so nachdrücklich präsentierten Gewissheit (was die fossilen Knochen ja dann doch irgendwie sind – jedenfalls deutlich mehr als verwackelte Bilder der Mondlandung...). Und dieses Befragen der Wirklichkeit ist doch gut… wir sollen doch auch nicht immer alles glauben... und ist nicht die Erde deshalb heute nicht mehr das Zentrum des Universums, weil irgendwann jemand – unter Einsatz seines Lebens – die Behauptung aufgestellt hat, dass dies eben nicht so sei... Ist aus dieser Behauptung nicht schließlich mittels Evidenz und Beweis eine neue Wirklichkeit geworden?

Ja, das ist es. Aber...

Aber: Galileo Galilei führte den Beweis, er zeigte auf, dass Glaube nicht gleich Wirklichkeit sein muss und stand damit am Beginn der Neuzeit, deren großes Kapital der selbstständig denkende Mensch ist, der sich wissenschaftlich an die Erklärung der Welt machte und sich dabei nicht nur an die gegebenen Dinge (Physik) hielt, sondern sich auch den weniger greifbaren (Metaphysik) zuwandte. Der entscheidende Punkt hier aber ist: „wissenschaftlich“. Letztlich ist die Vereinbarung, etwas wissenschaftlich zu betrachten, die einzige Chance eine Allgemeingültigkeit herzustellen (auch wenn diese, und das ist gerade der Kern der Wissenschaft, jederzeit wieder umgeworfen werden kann...). Genau das ist der Knackpunkt: eine Behauptung aufzustellen ist nicht genug, wenn ich andere wirklich überzeugen (und damit die Wirklichkeit ändern) will. Wenn ich meine Behauptung (als These) dagegen wissenschaftlich untermauere, und das heißt letztlich nichts anderes, als für andere nachvollziehbar und damit auch nachprüfbar ausgestalte, kann diese noch so verrückt scheinen und doch zum Nobelpreis führen (Quantenphysik).

Und genau darum geht es: ja, Infragestellen jederzeit, das ist der Kern der Aufklärung. Doch ein deutliches Nein zu allen Versuchen, damit ohne jegliche Rückbindung, allein aus subjektiver „Gewissheit“ (und manchmal leider auch einfach Bequemlichkeit) etwas zur Wirklichkeit aller machen zu wollen. Nur dann können wir uns auch von den Dinosauriern unserer Zeit lösen und das Projekt der Aufklärung wieder aufnehmen.

So ganz Unrecht hatte der Junge in Berlin übrigens nicht (s. a. die Ausführungen meines Kollegen Eric Otto Walliser), nicht alles, was wir heute für Dinosaurier halten, sind im Kern auch solche.

Und angemerkt sei daher, dass der Ichtyosaurier in unserer Sammlung genau genommen eben gar keiner ist, was der Aussage des Jungen, bezogen auf das Museum Wiesbaden dann doch wieder eine wissenschaftliche Grundlage verleiht ;)

Fossil eines Ichthyosauriers / Fischsauriers, 180 Millionen Jahre alt, aus dem jurassischen Gesteinen von Baden-Württemberg. Foto: Museum Wiesbaden
Fossil eines Ichthyosauriers / Fischsauriers, 180 Millionen Jahre alt, aus dem jurassischen Gesteinen von Baden-Württemberg. Foto: Museum Wiesbaden

Dr. Andreas Henning, Direktor

„Die alten Begriffe tragen nicht mehr. Wir müssen neue denken, von der Zukunft her“.

Theresa Duck, Grafikerin

„I don’t believe in dinosaurs“

„I believe in myself. I believe in myself. I believe in myself. I believe in myself. I believe in myself. I believe in myself. I believe in myself. I believe in myself. I believe in myself. I believe in myself. …“

Do I believe in affirmations?

Moritz Frei, I don´t believe in dinosaurs, 2017/2024. © Moritz Frei, Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Moritz Frei, I don´t believe in dinosaurs, 2017/2024. © Moritz Frei, Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Valerie Ucke, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Kunst

I don’t believe in dinosaurs…

Sind wir als Institution Museum nicht selbst im übertragenen Sinne ein Dinosaurier? Ein Urgestein mit häufig verstaubtem Image? Der kritische Blick auf uns selbst hilft dabei, die Institution und deren Selbstverständnis nicht zum Stillstand kommen zu lassen. Dem Publikum Lust auf unsere Geschichte – die unserer Vergangenheit aber auch die unserer Gegenwart – zu machen, diesem Publikum nicht wie ein schwerfälliger, alter Dinosaurier zu begegnen, sondern agil, offen und einladend, dürfen wir im Museum als eine unserer Aufgaben verstehen. So können wir diesen, in Zeiten von Klimaleugnung und der Abkehr von wissenschaftlichen Erkenntnissen zunächst irritierenden Satz für uns als Chance begreifen, in Bewegung zu bleiben.

Susanne Kridlo, Kuratorin Naturhistorische Sammlung

Fabelhaft

Als Studentin der Biologie erschienen mir die Dinosaurier wie Fabelwesen. Da ich jedoch als junge Wissenschaftlerin an der Wirklichkeit dieser Tiere nicht zweifeln sollte, besuchte ich im Fachbereich Geologie eine Vorlesung zur Systematik und Evolution der Dinosaurier. Als dort gefragt wurde, ob jemand Lust hätte, das Team für Führungen im Naturmuseum Senckenberg zu verstärken, meldete ich mich. Bei den vielen Führungen in der Zeit meines weiteren Studiums konnte ich mich immer wieder von den wirklich vorhandenen, fossilen Überresten dieser fabelhaften Tiere überzeugen.

Dr. Roman Zieglgänsberger, Kustos Klassische Moderne

Für mich hat die Arbeit „I don‘t believe in dinosaurs“ zwei Ebenen: entweder, der, der das sagt, misstraut der Wissenschaft und glaubt nicht an die Evolutionstheorie, oder es bedeutet genau das Gegenteil, nämlich der, der das sagt, glaubt nicht an alte große Weisheiten, wenn diese nicht immer wieder wissenschaftlich neu im Hier und Jetzt überprüft werden. Sehr spannend – eine Arbeit, die ziemlich genau das Momentum unserer Zeit trifft.

Fritz Geller-Grimm, Abteilungsleiter & Kurator Naturwissenschaft

„Die Schreckensechsen sind bis auf die Vögel ausgestorben. Ihre Welt wurde zerstört und ihre Herrschaft gebrochen. Nun lässt sich dieses Ereignis nicht unmittelbar auf unser Dasein übertragen. Dennoch steckt eine Warnung in der gesetzten Botschaft des Künstlers, sei es die drohende Gewaltherrschaft einer kriminellen Gruppe erkennbarer zu machen, sei es auf das potentielle Ende unserer eigenen Lebenswelt hinzuweisen.“

Caren Jones, Registrarin

I DON’T BELIEVE IN DINOSAURS
is a bold statement
made by a child
no ifs, no buts

nature makes bold statement
art makes bold statements
and so it should

art should ask about the ifs and buts
art should start debates, create ideas, encourage conversations and question believes

I might not believe in dinosaurs
but I DO BELIEVE IN ART

Dr. Eric Otto Walliser, Kurator Digitale Sammlung, Ansprechpartner Geowissenschaften

Was sind Dinosaurier?

Als Paläontologe finde ich die Aussage "I don't believe in Dinosaurs" ein Zeichen unserer Zeit. So absurd sie auch klingen mag, wirft dieser Satz viele Diskussionspunkte auf. Welche Bedeutung hat die Provokation in unserer Gesellschaft? Welche Rolle spielt der Glaube (oder Nichtglaube) in der Wissenschaft? Aber vor allem: Was sind Dinosaurier?

Erstaunlicherweise fällt es uns relativ leicht, einen Dinosaurier als solchen zu erkennen. Paläontologinnen können bekannte Dinosauriermerkmale in Fossilien erkennen und sie entsprechend einordnen. Selbst in Filmen können wir Dinos erkennen, obwohl wir nie lebenden Dinosauriern begegnet sind.

Allerdings ist es tatsächlich sehr schwierig, Dinosaurier anhand fester Merkmale genau zu definieren. Das Wort "Dinosaurier", was auf Altgriechisch etwas wie „Schreckliche Echse“ bedeutet, wurde erstmals 1841 von Sir Richard Owen anhand von Knochenfragmenten einiger Arten beschrieben. Damals sprach er von gigantischen terrestrischen Krokodil-Echsen mit Skeletteigenschaften, die sich deutlich von den modernen Land- und Amphibien-„Sauria“ unterscheiden. Ich gebe zu, es ist eine etwas schwammige Definition, aber das war auch der erste Versuch.

Im Laufe der Jahrzehnte etablierte sich die Meinung, dass Dinosaurier ausgestorbene Reptilien mit aufrechten Gliedmaßen sind, die während des Mesozoikums (252 bis 66 Millionen Jahre vor heute) auf dem Land lebten. Diese Definition war zweifellos eine Verbesserung, aber leider immer noch etwas am Ziel vorbei.

Tatsächlich ist mittlerweile bekannt, dass Vögel sich aus kleinen fleischfressenden Dinosauriern entwickelt haben, und deswegen selbst Dinosaurier sind. Fossilien wie der Archaeopteryx aus Bayern zeigen deutlich, dass bereits vor etwa 150 Millionen Jahren, während der Jura-Zeit, vogelähnliche Dinosaurier (oder dinosaurierähnliche Vögel) existierten. Sie besaßen noch urtümliche Eigenschaften wie Zähne, hatten jedoch bereits Merkmale der heutigen Vögel entwickelt, wie Schwungfedern. Über Millionen von Jahren entwickelten sich Vögel und andere Dinosaurier voneinander getrennt, bis letztere an der Kreide-Tertiär-Grenze (ja, das große Meteoriteneinschlag-Ereignis) ausstarben. Hinzu kommt, dass Vögel sich so weit entwickelt haben, dass es heute sehr schwerfällt, sie zu den Reptilien zu zählen. Daher kann die oben genannte Definition von Dinosauriern in gewisser Weise irreführend sein.

Also, was sind Dinosaurier?

Die moderne Paläontologie neigt zu einer etwas anspruchsvolleren, jedoch korrekteren Definition. Die Gesamtheit der Dinosaurier (einschließlich Vögel) kann anhand von Verwandtschaftsbeziehungen in zwei große Gruppen eingeteilt werden. Einerseits gibt es die sogenannten Theropoden, die zweibeinig und meist Fleischfresser waren. Dazu zählen Dinos wie der T. Rex oder der Spinosaurus sowie die heutigen Vögel. Andererseits die Sauropoden, eine Gruppe von sehr großen vierbeinigen Pflanzenfressern wie der Brachiosaurus oder der Diplodocus. Stammesgeschichtlich war einer der letzten Nachfahren dieser Gruppe der Triceratops, der am Ende der Kreide lebte. Basierend auf dieser Einteilung definiert man also Dinosaurier als die Gruppe aller Nachfahren des letzten gemeinsamen Vorfahren von Triceratops und den modernen Vögeln und deren Nachfahren.

Wenn Ihnen nach dem letzten Absatz etwas schwindelig geworden ist, keine Sorge, Sie sind nicht allein. Die Stammesgeschichte der Dinosaurier ist eine sehr komplizierte Angelegenheit. Letztendlich kann ich verstehen, wenn Sie danach lieber sagen würden: "I don't believe in dinosaurs."

Ein kleiner Nachtrag zum Thema Dinosaurier

Es herrscht eine gewisse Verwirrung darüber, welche Urzeittiere zu den Dinosauriern gehören. Meeresreptilien wie der Mosasaurus oder der Ichthyosaurus sowie Flugsaurier wie der Pterodactylus sind keine Dinosaurier. Ich weiß, das ist schwer zu verdauen, aber, wenn wir die Stammesgeschichte der Dinosaurier weiter zurückverfolgen, wird das eindeutig.

Flugsaurier und Dinosaurier sind sogenannte Schwestergruppen, sie haben also einen gemeinsamen Vorfahren und haben sich unabhängig voneinander weiterentwickelt. Beide sind unmittelbar verwandt mit den Krokodilen, mit denen sie die Gruppe der sogenannten Archosaurier bilden. Meeresreptilien haben dagegen sehr wenig mit Dinosauriern zu tun und sind enger mit Echsen und Schlangen verwandt. Sorry für die Verwirrung.

Mehr über den Künstler Moritz Frei erfahren Sie unter: moritzfrei.com

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