9 Mai 25 — 28 Sep 25
Sven Drühl, SDJM III, 2024, courtesy KÖNIG BERLIN © VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Foto: Lepkowski Studios Berlin
Sven Drühl, Interview mit Larissa Kikol, Kunstforum international, Band 271, 2020
Im Jubiläumsjahr zeigt das Museum Wiesbaden Werke des Berliner Künstlers Sven Drühl (* 1968 Nassau/Lahn; lebt und arbeitet in Berlin), der seit über zwanzig Jahren im Kontext konzeptueller Landschaftskunst arbeitet.
Die Ausstellung „Faszination 19. Jahrhundert, Künstler — Sammler — Theoretiker“ zeigt ca. 35 zum Teil sehr großformatige Werke von Sven Drühl vorwiegend aus den Jahren 2018 bis 2025 aus drei unterschiedlichen Serien.
Sven Drühl studierte Kunst und Mathematik in den 1990er Jahren in der Hochphase der Postmoderne-Debatte im Kunstkontext. Seine künstlerische Basis liegt genau dort, allerdings hört die Entwicklung nicht mit der Postmoderne auf, sondern spätestens seit den 2000er Jahren spricht man von der Metamoderne, sozusagen der Post-Postmoderne. Drühl sieht im Rückgriff auf die künstlerischen Errungenschaften der Moderne und Postmoderne, die Möglichkeit einen neuen Stil, eine neue metamoderne Bildsprache zu entwickeln.
Die Themenfelder, die der Künstler mit seinen Werken immer wieder umkreist, sind z.B. kultureller und medialer Transfer, Original, Autorschaft, Zitat, Remix, Serialität, aber auch Beeinträchtigung der Natur und Veränderung des Konzepts von Landschaft.
Mit dem Werken aus der Silikon-Serie bezieht sich Drühl seit über 20 Jahren auf Kunstwerke von anderen Künstlern. Es handelt sich um Bilder über Bilder, um Abstraktionen zweiter Ordnung. In einer speziellen Technik aus Ölfarbe und Silikon-Lineaturen malt der Künstler Landschaftsmotive, die alle Vorlagen, egal ob aus der Romantik oder aus dem Kontext der zeitgenössischen Kunst, in Drühls wiedererkennbaren Stil setzen. Mit seinem künstlerischen Ansatz verfolgt Drühl eine Neubewertung und Neuverortung im Sinne eines Remix.
Den zweiten Schwerpunkt der Ausstellung bilden die Werke der Lackserie, die so etwas wie eine Inversion des konzeptuellen Ansatzes der Remix-Gemälde darstellt. Mit den Lackbildern kehrt Drühl den Blick um. Er bezieht sich nicht mehr auf kunsthistorische Vorlagen wie etwa Gemälde von Janus La Cour oder Caspar David Friedrich (d.h. auf Gemälde, die ihrerseits auf Naturanschauung basieren). Stattdessen verwendet Drühl nun als Ausgangsmaterial seiner Gemälde virtuelle Vorlagen, die er aus den Textur-Hintergründen gerechneter Welten extrahiert, wie sie in der Gaming-Industrie Verwendung finden. Spezielle Vektordateien übersetzt Drühl in extrem realistisch anmutende Malerei. Es entstehen Landschaftsgemälde, die sich meistens nicht mehr auf eine reale Landschaft beziehen, sondern aus Versatzstücken bestehen, die per Mouseclick generiert wurden.
Sven Drühl, Interview mit Larissa Kikol, Kunstforum international, Band 271, 2020
Ergänzt werden die Gemälde um Bronzeskulpturen von Bergmassiven. Ausgangsmaterial der Skulpturen der Eroded-Serie sind detailgetreue Gipse vom Matterhorn und von Gebirgsformationen aus der Himalaya-Region. Diese Gipse werden von Drühl mit Hammer, Meißel und Fräse stark verfremdet, ganz so als zeigten sie einen Blick in die Zukunft: Die Gipfel der Berg-Bronzen sind erodiert, abgetragen, teilweise zerstört. Drühl versteht die Bronzen als eine Verlängerung der Malerei in den Raum.
Allen Serien von Drühl ist gemeinsam, dass das narrative Element ausgespart bleibt. Die Landschaften wirken unterkühlt, der Mensch ist in den Gemälden nie sichtbar und kommt so, quasi durch die Hintertür, wieder in den Blick. Drühl arbeitet explizit seriell, einzelne Motive kehren über Jahre wieder, mal in veränderten Ausschnitten, in veränderter Farbsetzung oder auch in unterschiedlichen Medien bis hin zu Neonarbeiten.
Die Ausstellung in Wiesbaden würdigt zudem auch Drühls theoretische Arbeit. Der Künstler hat nicht nur in Kunstwisschanschaften promoviert, sondern sich auch als Gastherausgeber von insgesamt 13 Bänden „Kunstforum International“ und Autor zahlreicher kunstwissenschaftlicher Artikel zusätzlich einen Namen gemacht. Im Museum Wiesbaden wird Drühl nun erstmals auch als Sammler präsentiert, die Werke Drühls werden ergänzt durch eine Auswahl von ca. 35 Gemälden seiner mit speziellem Blick zusammengestellten reichhaltigen Sammlung des 19. Jahrhunderts: von Eugen Bracht über Janus La Cour bis Carl Spitzweg. In dieser gegenüberstellenden Präsentation von Werken der Jahre 1855 bis 2025 liegt im Jubiläumsjahr des Museum Wiesbaden der Brückenschlag vom 19. Jahrhundert in die Jetztzeit.