Zum Geburtstag der Künstlerin Rebecca Horn (* 24. März 1944 in Michelstadt) laden wir Sie ein, gemeinsam mit Salem Khalfani, Magazinverwalter im Bereich Kunst, einen tiefen Blick in die Spiegel des Werks "Jupiter im Oktogon" (2007) zu werfen.
„Jupiter im Oktogon“ ist das erste Kunstwerk, das man beim Besuch im Museum Wiesbaden erblickt. Eine Installation aus drei sich bewegenden Spiegeln: der eine auf dem Boden, der andere ganz oben, und der dritte und kleinere, der jupiterartig über den Köpfen schwebt. Eine ganze Welt. Ein Kosmos für sich. Und jedes Mal eine Widerspieglung des seinerseits in den Spiegeln Widergespiegelten.
Der Raum scheint im Spiegel viel tiefer zu sein als in Wirklichkeit, wenn auch ohne Bestand. Ein Vexierspiegel. Eine verkehrte Welt ohne Substanz: Wir sehen Räume so, wie es sie um uns herum nicht gibt. Der bekannte Raum wirkt uns fremd.
Und dass die Installation genau hier, im Oktogon des Museums gleich beim Eingang ist, bevor die Besucher:innen das Museum überhaupt betreten, ist eine herausragende Idee: eine Anspielung darauf, dass es nicht die Wirklichkeit ist, welche wir im Museum und in den ausgestellten Bildern sehen werden, nicht ihre Widerspieglung, eher eine andere Welt, gar eine schönere und sinnvollere, wenn auch ohne Substanz.
Denn mit dieser Installation assoziieren die Betrachtenden unter anderem, dass nicht mal ein Spiegel die Welt um uns herum widerspiegeln kann. Ganz im Gegenteil, er entfremdet sie uns. Er ist eine Welt für sich, eine fremde Welt, in die wir eintreten.
„Der Betrachter wird zum Bestandteil einer Vorführung, in der er selbst, die Architektur, die Mosaiken und die Skulpturen des Oktogons zu immer wieder neuen Bildern verschmelzen.“
So schreibt Jörg Daur in einem Katalog, der 2003 anlässlich der hiesigen Ausstellung der Künstlerin herausgegeben wurde.
Der Spiegel der deutschen Künstlerin Rebecca Horn erzeugt Perspektiven und zerstört sie zugleich. Mit seiner Bewegung entstehen andere Räume. Hervorbringend und zerstörend ist das Kunstwerk multiperspektivisch. Darüber hinaus hängt das Ganze von der Position der Betrachtenden ab; je nachdem, wo sie stehen, bekommen sie eine andere Perspektive. Und je näher sie an das Kunstwerk herantreten, desto mehr gerät die Welt ins Wanken.
Die Installation „Jupiter im Oktogon“ negiert den Raum und bricht mit dem geläufigen Raumbewusstsein, indem sie neue Räume schafft und sie der Welt entgegenhält. Wir erahnen, dass der Raum so erscheint, weil wir ihn so sehen. Ein Blick, der für die ganze Kunst gilt. Eine Einladung gleich zu Beginn.