Seit etwa einem Jahr begrüßt der bengalische Tiger „Pascha“ nun schon die Gäste der Naturhistorischen Sammlungen im sogenannten Steinsaal Nord. Bis es soweit war, stand allerdings die umfangreiche und akribische Präparation des Tigers durch Susanne Steinmetzger und Felix Richter an.
Seinen nächsten großen Auftritt wird er als „Shir Khan“ während der anstehenden Sonderausstellung „Adivasi — Das andere Indien“ bekommen, die im ersten Halbjahr 2024 starten wird. Dort steht er stellvertretend für den Mensch-Tier-Konflikt, der auch in Rudyard Kiplings Dschungelbuch eine große Rolle spielt. Denn nur in Indien, wo ungefähr die Hälfte aller wildlebenden Tiger leben, sind Übergriffe von Tigern auf Menschen und Nutztiere gehäuft bekannt.
Für gewöhnlich meiden die Großkatzen die Nähe des Menschen, doch ein zunehmender Bevölkerungsdruck auf die Schutzgebiete gerade in den Mangrovenwäldern Westbengalens und Bangladeschs lassen den Tieren bisweilen keine andere Wahl. Auf der anderen Seite ist der bengalische Tiger das Nationaltier Indiens und seine Bestände konnten sich durch kontinuierliche Schutzmaßnahmen erholen – im Gegensatz zu allen anderen wildlebenden Tigerpopulationen auf der Welt.
Im Museum Wiesbaden ist ein bengalischer Tiger jedenfalls in guter Gesellschaft, denn neben anderen bedeutenden Großkatzen, wie Kap- oder indischem Löwe, verfügen die Naturhistorischen Sammlungen auch über Präparate vom Java- und dem sibirischen Tiger. Mit letzterem soll „Pascha“ einmal im Raum „Bewegung“ der Dauerausstellung präsentiert werden und dort seinen finalen Standort erhalten.
Eine Unterscheidung der über Asien verbreiteten Tigerpopulationen ist nicht immer einfach und Besuche in zoologischen Gärten helfen dabei auch nicht immer. Untereinander hätten sich alle noch vor hundert Jahren existierenden Tiger verpaaren und ihre Nachkommen sich weiter vermehren können, weshalb sie alle einer einzigen Art zugeordnet sind: Panthera tigris.
Niemand sollte aber glauben, dass ein sibirischer Tiger lange erfolgreich auf der Insel Java leben könnte. Der wesentlich kleinere und auf die dortigen Lebensbedingungen angepasste Java-Tiger war dafür besser geeignet. Dies bewahrte ihn allerdings nicht vor seinem Aussterben. Vor etwa 30 Jahren verlieren sich die letzten Spuren. Und damit sind auch seine einmaligen Anpassungen an den Lebensraum verschwunden und eine Ansiedlung von Tieren aus anderen Gruppen erscheint wenig erfolgsversprechend.
Viel wichtiger ist es, die noch vorhandenen Tiger besser zu schützen und sie auch über Indien hinaus zu erhalten.
Tiger sind faszinierend und immer einen Blick wert — überzeugen Sie sich davon und kommen Sie die Wiesbadener Tiger doch besuchen — ganz ohne Risiko!
Dr. Hannes Lerp
Kustos Wirbeltiere, Naturhistorische Sammlungen