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(K)ein Schwert wie jedes andere?

WISSEN & FORSCHUNG

Schwert des Typs „Takouba“, Naturhistorische Sammlung des Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Schätze fremder Kulturen

Im „kolonialen Kontext" geht es häufig um Schätze fremder Kulturen, wie afrikanische Waffen, südamerikanischen Schmuck und viele andere Dinge.  Auch das Museum Wiesbaden besitzt eine ethnologische Sammlung, die größtenteils auf Schenkungen reisender Naturforscher, Missionare und/oder Kaufleute des späten 19. und des 20. Jahrhunderts zurückgeht. Durch diese Objekte lassen sich bis heute tiefe Einblicke in die Geschichte außereuropäischer Gesellschaften erlangen. Und zugleich erzählen sie uns viel über die teilweise vergessene deutsche Kolonialzeit.

In der Zeit um 1900 gelangten zahlreiche ethnologische Objekte aus den afrikanischen Kolonien in europäische Sammlungen. Sowohl Privatleute als auch Museen griffen dabei auf ganz bestimmte Typen zurück: Neben Skulpturen erfreuten sich vor allem Waffen einer besonderen Beliebtheit. Die Nachfrage war so groß, dass sich sogar einheimische Handwerker darauf spezialisierten, in den großen Hafenstädten eigens Objekte für den Verkauf nach Europa anzufertigen  der Grundstein für den späteren „Ethnotourismus“ war gelegt.

Das hier gezeigte Schwert des Typs „Takouba“ aus der Sammlung des Museums Wiesbaden könnte ein solches Exportprodukt gewesen sein: Die Waffe, die vor allem von nomadischen Gruppen mit Affinität zu berittenem Kampf genutzt wurde, beispielsweise den nordafrikanischen Touareq, verbreitete sich in ihrer Nutzung im 19. Jh. von der Sahelzone aus und war schließlich in weiten Teilen Nord- und Westafrikas alltäglich in Gebrauch.

Das gezeigte Stück wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von dem deutschen Pflanzer Carl Feldmann dem Museum vermacht — ein genaues Datum ist nicht bekannt. Der gebürtige Wiesbadener hatte wohl zwischen 1907 und 1918 in der deutschen Kolonie Kamerun gelebt und während dieser Zeit eine naturwissenschaftliche und ethnologische Sammlung angelegt. Während die naturkundlichen Objekte von dem ausgebildeten Präparator vor allem vor Ort zusammengestellt wurden, stellt sich bei den übrigen Stücken die Frage, ob Feldmann sie in Kamerun direkt erwarb, oder ob er sie über Händler oder eben im Zuge seiner Reisen als Souvenirs zusammentrug.Vergleiche des Wiesbadener Stückes mit anderen Takouba zeigen aber, dass es sich hier wohl um eine typische Waffe der nomadischen Fulani handelt, die um 1900 auch noch in Nigeria und Kamerun ansässig waren. Insofern ist der direkte Kontakt zwischen Feldmann und den ehemaligen Besitzern der Waffe sehr wahrscheinlich, auch wenn es uns noch nichts über die Umstände des Besitzwechsels verrät.Gerade diese verschiedenen Formen der Besitzübertragung von ethnologischen Objekten sind es, um die sich in jüngster Zeit eine breit angelegte Debatte um koloniale Kontexte entsponnen hat. Neben der Frage, wie wir im Rahmen der historischen Identitätsfindung mit einem solchen Kapitel in der deutschen Geschichte umgehen sollen und wie daraus eine zukünftige partnerschaftliche Kooperation mit den betroffenen Gesellschaften erwachsen soll, dreht sich die Diskussion auch ganz konkret um die Dinge selbst.

3-Wege-Strategie zur Digitalisierung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

Und hier kommt die ethnologische Provenienzforschung ins Spiel: Dabei soll dem Weg der Objekte, die heute noch in den ethnologischen Museumssammlungen sind, auf die Spur gegangen werden. Wie gelangten die Objekte in deutsche Sammlungen? Warum und unter welchen Umständen? Welche Geschichten sind mit diesen Gegenständen und den dahinter stehenden Personen verbunden? Und sind wirklich alle Dinge, die heute in deutschen Museen schlummern, Resultat gewaltsamer Enteignungen? Die Aufarbeitung und Klärung der Besitzverhältnisse ist ein wichtiger Bestandteil der Forschung am Museum Wiesbaden, ebenso wie der Wunsch, partnerschaftliche Kooperationen mittels zusätzlicher Transparenz zu ermöglichen. Aus diesem Grunde nimmt das Museum Wiesbaden als Pilotmuseum an der sogenannten „3-Wege-Strategie zur Digitalisierung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ teil und wird sich im Rahmen geplanter Sonderausstellungen — unter anderem der für 2024 geplanten Sonderausstellung Vom Kap bis zur Namib — das südliche Afrika — detaillierter den Objekten und deren „Biographien“ zuwenden.


Dr. Andy Reymann

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