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Zeugen der Vielfalt

WISSEN & FORSCHUNG

Schädel eines Java-Tigers in der Dauerausstellung „Ästhetik der Natur“. Foto. Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Schaupräparate, Bälge, Schädel, Knochen, Eier und Felle von über 10.000 Wirbeltieren befinden sich in den Naturhistorischen Sammlungen des Museums Wiesbaden. Viele von ihnen zeugen von einer bewegten Sammlungsgeschichte und stehen für den Wandel der Natur und Biodiversität in den letzten 200 Jahren.

Schaupräparat des Java-Tigers. Foto: Museum Wiesbaden.
Schaupräparat des Java-Tigers. Foto: Museum Wiesbaden.

Einer der bedeutendsten Vertreter dafür ist der Java-Tiger (Panthera tigris sondaica). Das Museum erhielt 1826 vier Schädel und einen kompletten Tierkörper aus Batavia, wo Ernst Albert Fritze als Arzt seinen Dienst tat und die Naturhistorischen Sammlungen regelmäßig mit Objekten bedachte. Um den langen Seeweg zu überdauern, empfahl Fritze den Transport der Knochen und des Felles in einem gefüllten Rumfass. In Wiesbaden angekommen, wurde das Fell zu einem Schaupräparat gearbeitet. Es zeugt noch heute vom Wandel der Natur, denn auf der indonesischen Insel Java sind die Tiger längst ausgestorben. Als die Niederländer dort begannen Feldfrüchte und Teak anzubauen, wurde der Lebensraum und die Nahrungsquellen des Tigers knapp. Auch die bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren geschaffenen Schutzgebiete konnten auf Grund der extrem dichten Besiedelung sein Aussterben nicht mehr verhindern. Die Zukunftsausstellung "Sieben Hügel – Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts", die im Jahr 2000 in Berlin stattfand und zu den teuersten Sonderausstellungen zählt, die die Hauptstadt je gesehen hat, widmete den Tigern einen eigenen Ausstellungsbereich „Cats and Chats“. Hier war auch das Wiesbadener Präparat zu sehen und stand als Sinnbild für die bedrohte Natur.

Die Sammlung der Vögel von Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied. Foto. Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Die Sammlung der Vögel von Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied. Foto. Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Innerhalb der Wirbeltiere machen die Vögel den größten Anteil in den Sammlungen Wiesbadens aus. Hier finden sich besondere Exemplare wie die Vögel, die Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied auf seinen Expeditionen nach Süd- und Nordamerika sammelte und die noch heute im Museum Wiesbaden bewahrt werden.

Ein Paar Kaiserspechte. Foto. Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Ein Paar Kaiserspechte. Foto. Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Auch die beiden Kaiserspechte (Campephilus imperiales) sind echte Raritäten und eindrucksvolle Präparate sind sie obendrein. Leider gehören sie ebenfalls in die Kategorie der unwiederbringlich verschwundenen Vielfalt des Planeten. Der Kaiserspecht war der größte Specht und sicher einer der imposantesten Vögel Mexikos. Er lebte in offenen, aber zusammenhängenden Kiefernwaldgebieten auf den Hochplateaus der Sierra Madre Occidental zwischen 2000 und 3000 Metern. Der Lebensraum zeichnete sich durch viele Nistgelegenheiten in alten Bäumen und zu bestimmten Zeiten jeder Menge Käferlarven aus, die die Spechte in kleinen Gruppen gemeinschaftlich suchten. Dabei erklang ihr Ruf, der wie eine Spielzeugtrompete geklungen haben soll. Diese kaiserliche Fanfare scheint verhallt zu sein, denn auch ausgedehnte Suchaktionen konnten keine Spur des Spechts mehr finden.*

Blick in die Sammlung der Vögel von Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied. Foto. Museum Wiesbaden / Bernd Fickert.
Blick in die Sammlung der Vögel von Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied. Foto. Museum Wiesbaden / Bernd Fickert.

Java-Tiger, Kaiserspecht und viele andere Präparate der Sammlung zeugen von den Naturschätzen der Welt und zeichnen ein Bild der Vergangenheit und Gegenwart. Sie erlauben vereinzelt sogar Blicke in die Zukunft, weil in den Sammlungen langfristige Entwicklungen erkennbar werden. Viele dieser Präparate sind sehr empfindlich und vertragen eine dauerhafte Präsentation in den Ausstellungen nicht.

Um den Besucher*innen deren verborgenes Dasein dennoch sichtbar zu machen, werden einige von ihnen gerade dreidimensional erfasst und sollen Eingang in die Online Collection des Museums finden. Ein Prozess, der nicht immer einfach ist. Mit einem Handscanner werden die Objekte von allen Seiten fotografiert und vermessen. Eine Tätigkeit, die aussieht, als würde man in der Luft mit einem Bügeleisen Figuren malen. Aus den so gewonnenen Daten werden anschließend digitale Modelle errechnet, die mit passenden Bildinformationen versehen werden. Dabei dürfen die Strukturen nicht zu fein sein und auch die Farbkontraste der Präparate stellen so manche Herausforderung. So sind besonders glänzende Oberflächen oder filigrane Körperanhänge, wie gelocktes Haar oder Federn nur sehr schwer zu erfassen. Selten zwingen sie sogar zur Aufgabe, in den meisten Fällen jedoch gelingt ein ansehnliches 3D-Modell. So lassen sich auch sehr empfindliche Objekte digital zugänglich machen.

Eine Begegnung mit dem Original bleibt allerdings unersetzbar!

Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Dr. Hannes Lerp
Kustos Wirbeltiere

 

 

 

 

 

 

*Die Exemplare der beiden Kaiserspechte sind Teil der Vogel-Sammlung in den Naturhistorischen Sammlungen des Museums Wiesbaden. Sowohl das Männchen als auch das Weibchen wurden 1906 von A. v. Hagen in Sierra Madre, Mexico, entdeckt.

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