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Das Ende einer über 200-jährigen Reise

REPATRIIERUNG

Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

So etwas hat das Museum Wiesbaden noch nicht erlebt: Vertreter:innen der Presse und des Fernsehens, Repräsentant:innen der politischen Parteien und der Kultureinrichtungen Wiesbadens sitzen freudig und gemeinsam ergriffen mit den Mitarbeiter:innen des Museum Wiesbaden im Vortragssaal. Anlass ist nicht etwa der Zugewinn eines neuen Sammlungsstücks – Sie feiern stattdessen, dass ein Objekt aus dem Bestand das Museums verlässt. 

Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Am 07.06.2023 übergab das Museum Wiesbaden im Beisein der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn und dem neuseeländischen Botschafter für Deutschland, Craig Hawke, einer Delegation aus Vertreter:innen der Maori und Moriori einen speziell präparierten Ahnenschädel, einen Toi Moko, der seit fast 200 Jahren im Bestand des Museums bewahrt wurde.

Die Grundgeschichte hinter dem „Objekt“ ist eigentlich schnell erzählt: Der aus Nassau stammende Militärarzt Dr. Ernst Albert Fritze trat 1817 in den Dienst der niederländischen Ostindienkompanie ein.Innerhalb weniger Jahre stieg der naturwissenschaftlich begeisterte Mediziner nicht nur zum Leiter des Gesundheitswesens für ganz Ostindien mit Sitz auf Sumatra auf, sondern rangierte auch als Sekretär des naturwissenschaftlichen Vereins und Direktor des dortigen Museums als Dreh- und Angelpunkt jeglicher Naturforschungen in dieser Region.

Spätestens ab 1833 schickte Fritze Belegstücke für naturkundliche Objekte in die Niederlande und auch an die Museen in der Residenzstadt seiner Heimatregion. Darunter: 11 menschliche Schädel aus Indonesien und einen aus Neuseeland. Eben jenen Toi Moko, der nun unter Gesang und Gebeten in einer feierlichen Prozession übereignet wurde. Ein Akt der Versöhnung und ein Akt der Heilung.

Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

"Die Repatriierung ist ein wichtiger Schritt voran, weil sie hilft, frühere Untaten zu versöhnen," formulierte es Dr. Te Herekiekie Haerehuka Herewini, der Leiter der Delegation und Vorsteher des neuseeländischen Repatriierungsprogrammes Karanga Aotearoa. Und dabei geht es an erster Stelle um den von den Maori betriebenen Handel, der den an den Schädeln interessierten Europäern zuspielte.

Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Doch das Ereignis vom 07.06.2023 stellt nicht das endgültige Ende der Reise dar, sondern zunächst eine Zwischenstation. Da über die genaue Provenienz des Schädels nur wenig bekannt ist, wird er gemeinsam mit weiteren Rückführungen zunächst im neuseeländischen Nationalmuseum Te papa Tongarewa in Wellington (https://www.tepapa.govt.nz/) aufbewahrt. Hier sollen vor allem die Tätowierungen darauf hin untersucht werden, ob sich in den Mustern Hinweise auf Gruppenmarker oder individuelle Handwerker finden lassen.

Aber auch in Wiesbaden geht die Forschung weiter: Gefördert vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste werden im Zuge eines Kooperationsvorhabens die elf anderen Schädel am Institut für Rechtsmedizin der Universität Frankfurt am Main unter Leitung von Prof. Dr. Verhoff untersucht werden.

Archivrecherchen in den Quellen der Ostindienkompanie zusammen mit Niederlandisten der Universität Köln sollen dabei helfen, mehr über die Herkunft der Personen und die Aktivitäten Fritzes vor Ort zu erfahren. Alles mit einem klaren Ziel: Am Ende auch den anderen 11 Individuen, die nun noch in Wiesbaden sind, eine Rückkehr in ihre Heimat, zu ihren Wurzeln zu ermöglichen.


Autor:
Dr. Andy Reymann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Naturhistorischen Sammlungen des Museum Wiesbaden und Verantwortlicher der Repatriierung

Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
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