31 Okt 10 — 27 Feb 11
Die Wiesbadener Ausstellung spannt den Bogen von den Werken der Künstler des Blauen Reiter zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland zur Kunst des Abstrakten Expressionismus ab den 1940er Jahren in Nordamerika. Es werden die Entstehung, Formulierung und Fortsetzung derjenigen künstlerischen Positionen des Expressionismus in den Vordergrund gestellt, die im Zentrum und im Umfeld des Blauen Reiter gestanden und anregend auf den amerikanischen Expressionismus gewirkt haben. Die Ausstellung folgt insbesondere der Suche nach dem "Geistigen" in Farbe und Form der modernen Malerei.
Ausgehend von den Künstlerpaaren Kandinsky/Münter und Jawlensky/Werefkin, die sich seit dem Sommer 1908 regelmäßig in Murnau zusammenfanden, wird die malerische Aufbruchssituation jener Jahre illustriert.
Diese Geburtsstunde des Expressionismus wird neben den in Murnau und Umgebung entstandenen Gemälden auch anhand von Arbeiten auf Papier, Skizzenbüchern und Briefen der Jahre 1908—1910 aufgerufen.
1909 wurde die Neue Künstlervereinigung München gegründet. In dieser Ausstellung vertreten mit Arbeiten von Adolf Erbslöh, Alexander Kanoldt, Wladimir von Bechtejeff u.a. Streitigkeiten zwischen konservativeren und progressiveren Mitgliedern führten 1911 zur Abspaltung des Blauen Reiters. Die Künstlerische Ausrichtung des Blauen Reiters war das Geistige, das Wesen der Dinge. Auf der Suche nach dem Geistigen in der Kunst gingen sie beharrlich den Weg der Abstraktion und Reduktion von Farbe und Form.
Im Ausstellungsfokus stehen dabei Arbeiten von Kandinsky, Münter, Jawlensky, Werefkin, Marc, Macke, Klee u. a. In diesem Kontext sollen beispielhaft auch Querverbindungen zu künstlerischen Positionen des Fauvismus, Orphismus und des Rheinischer Expressionismus aufgezeigt werden.
Ein Merkmal der künstlerischen Neupositionierung in Murnau und München ist die Zusammenarbeit von Bildenden Künstlern, Komponisten und Theaterleuten, die auf die Synthese der Künste zielt.
In dieser Synthese verbirgt sich das Streben nach dem Gesamtkunstwerk, um das vor allen anderen Kandinsky in seinem Kunstschaffen ringt, aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen die konzipierten Theaterstücke aber nur rudimentär erproben kann. In seinen Ausführungen zur Kunst beschreibt er die Formen und Farben der Malerei häufig mit Worten, die auf die Musik zielen. Er spricht vom "inneren Klang", von "duftenden Farben" oder vom "Hören der Farbe". Kandinsky hat nicht nur als Maler gewirkt, sondern auch als Musiker und Kunsttheoretiker. Diesem disziplinüber-greifenden Anliegen wird in der Ausstellung ein eigener Themenschwerpunkt gewidmet.
Im dritten Schwerpunktes wird ein Einblick in die künstlerische Weiterentwicklung einzelner Akteure des Blauen Reiters in den 1910er und 1920er Jahren gegeben. Dieser Themenschwerpunkt ist auf die Gruppe der Blauen Vierfokussiert, die 1924 von Feininger, Jawlensky, Kandinsky und Klee gegründet wurde.Das Augenmerk liegt hierbei auf der Brückenfunktion der Blauen Vier, die über die Verbreitung ihrer Kunst in den Vereinigten Staaten (durch die Vermittlung von Galka Scheyer) die Ideen und Ansätze des Blauen Reiter über die Zeit des Zweiten Weltkriegs hinaus weitertrugen. Auch der Entwicklung von der expressiven Farbe zur Vergeistigung in Form meditativer Arbeit in Serien bei Jawlensky und bei Newman wird ein Raum gewidmet.
Zusammen mit den am Bauhaus fortgeschriebenen Ansätzen, die u. a. durch Josef Albers nach Nordamerika vermittelt worden waren, fanden diese Einflüsse der Blauen Vier fruchtbaren Boden in der amerikanischen Kunst der 1940er und 1950er Jahre. Ebensolche Impulse auf den Abstrakten Expressionismus gingen von den Arbeiten von dem aus Weißenburg in Bayern stammenden und 1932 in die USA übersiedelten Malers Hans Hofmann und dem in den Jahren 1912 bis 1915 in Paris, Berlin und München zu Gast weilenden amerikanischen Maler Marsden Hartley aus. Ausgewählte Arbeiten dieser beiden Künstler werden in diesem Themenschwerpunkt miteinbezogen.In einem vierten Themenschwerpunkt wird an exemplarischen Beispielen Einflüsse des geistigen Gehalts des Blauen Reiter auf Positionen des Abstrakten Expressionismus und der Farbfeldmalerei im Amerika der Nachkriegszeit aufgezeigt.
Hans Hofmann und Marsden Hartley stehen dabei exemplarisch für die gestisch-expressive Variante.
Mark Rothko, Barnett Newman, Robert Motherwell, Adolph Gottlieb und Morris Louis sind dagegen Vertreter der reinen Farbe/des — Farbraums sowie der Farbformen als Zeichen innerhalb dieser Thematik. Von den genannten Künstlern werden insbesondere solche Arbeiten in die Ausstellung einbezogen, die in ihrem künstlerischen Ausdrucksvermögen vergleichbar der Idee des Blauen Reiter für das Geistige in der Kunst stehen.
Die Ausstellung umfasst über 250 Gemälde und Arbeiten auf Papier aus öffentlichen und privaten Sammlungen in Deutschland, Europa und Amerika.
Ermöglicht wurde das Ausstellungsprojekt vornehmlich durch
den Kulturfonds Frankfurt RheinMain, die Hessische Kulturstiftung sowie die Landeshauptstadt Wiesbaden.