13 Mär 20 — 23 Aug 20
Wer ist Ihr Lieblingsmensch?
Besuchen Sie mit ihm die Ausstellung und erfahren Sie mehr über dieses außergewöhnliche Paar.
Hier geht es zum Film!
Alexej von Jawlensky in seinen Lebenserinnerungen an seine erste Begegnung mit Marianne von Werefkin, 1892
In der vom Lenbachhaus München und dem Museum Wiesbaden in enger Kooperation konzipierten Ausstellung „Lebensmenschen. Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin“ werden die individuellen künstlerischen Werdegänge beider Persönlichkeiten verfolgt, zueinander in Beziehung gesetzt und mit ihren ständig in Veränderung begriffenen privaten Verhältnissen in Verbindung gebracht.
in Kooperation mit
Alexej von Jawlensky Archiv, Locarno, CH
Fondazione Marianne Werefkin, Ascona, CH
Weitere Stationen
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, 20 Okt 2019 – 16 Feb 2020
vom 9. April 2020
Interview mit Kurator Dr. Roman Zieglgänsberger
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vom 3. April 2020
hr2 Podcast
hr2 Podcast zu virtuellen Angeboten der Museen im Netz
vom 3. April 2020
Museum Wiesbaden geschlossen – aber die Bilder sind zu sehen
Beitrag des Wiesbadener Kuriers
vom 22. März 2020
Ausstellung in Wiesbaden: „Er bekam die Spanische Grippe“
Beitrag der Frankfurter Rundschau
Dies schrieb Marianne von Werefkin 1909 aus Litauen an Jawlensky in München.
Hier finden Sie einen kleinen Rückblick zur Multimedia-Tour der Ausstellung Lebensmenschen
Viel Spaß beim Stöbern!
Mann im Pelz
Das Ende des 19. Jahrhunderts erlebte eine Wiederentdeckung von Rembrandt van Rijn. Der russische Maler Ilja Repin vermittelte Rembrandts ...
... dunkeltonige, realistische Malerei erfolgreich an seine Schüler Werefkin und Jawlensky. Als bester Beweis hierfür dient eines der wenigen erhaltenen frühen Gemälde Werefkins, Mann im Pelz.
Der mittelalte Mann war vermutlich ein Bauer aus der Umgebung von Werefkins Landgut Blagodat. Im Bild wirkt er älter, als er in Realität gewesen sein dürfte. Wir wissen nicht, um wen genau es sich handelt, aber darum ist es der Künstlerin auch nicht gegangen. Vielmehr mag ihr Anliegen gewesen sein, den Mann in seiner inneren Befindlichkeit zu erfassen. Und genau das ist die große Kunst Rembrandts: Er hat Porträts geschaffen, vor denen man das Gefühl hat, dass die gezeigten Personen einst nicht nur gelebt haben, sondern auch mit einem einzigartigen seelischen Innenleben ausgestattet waren.
Werefkin stellt den Mann mit verfrorener Nase, struppigem Haar und ungepflegtem weißen Bart dar, gedankenverloren schweift sein Blick ab. Man spürt förmlich, dass er es schwer gehabt hat im Leben – und dies letztlich der Grund ist, dass er vorzeitig gealtert zu sein scheint.
Das Bild ist vornehmlich in Braun-, Beige- und Ocker-Tönen ausgeführt. Trotz dieser warmtonigen Farbpalette fröstelt es uns als Betrachtende fast vor dem Gemälde – vermutlich ahnt man unterbewusst, dass das heimliche Hauptmotiv des Porträts, der Pelz, seine beste, das heißt wärmende Zeit bereits lange hinter sich hat. Verlaust und speckig, ist er wunderbar in seiner verbrauchten Stofflichkeit erfasst. Man meint ihn beinahe zu riechen – will ihn jedoch keinesfalls berühren.
Autor:innen: Annegret Hoberg, Roman Zieglgänsberger
Bildnis Marianne von Werefkin
Jawlensky war mit Marianne von Werefkin 29 Jahre aufs Engste verbunden. Und doch porträtierte er sie seltener, als man denken könnte. Bislang wissen wir von lediglich drei Zeichnungen ...
... und von zwei in Öl ausgeführten Bildnissen. Möglicherweise nicht ohne Zufall malte Jawlensky das letzte der beiden Ölporträts im Jahr 1906 – und damit exakt in dem Moment, als Werefkin im Begriff war, nach einer etwa 10-jährigen Schaffenspause wieder selbst künstlerisch tätig zu werden.
Elisabeth Macke, die Frau des Malers August Macke charakterisierte das Künstlerduo folgendermaßen:
"[Marianne von Werefkin] war eine ungemein temperamentvolle, starke Persönlichkeit, voll revolutionären Geistes gegen alles Laue und Ängstliche. Wir sahen sie zuerst, als wir in Jawlenskys Atelier eintraten ..., eine schmale hochgewachsene Gestalt mit knallroter Bluse, einem dunklen Rock und schwarzem Lackgürtel, im Haar eine breite Taftschleife. Man glaubte, ein junges Mädchen stünde da. Aber als sie sich umdrehte, sah man das vom Leben geprägte ausdrucksvolle Gesicht einer alternden Frau. ...damals lebte sie in großer Freundschaft mit Jawlensky, sie hatte wohl auch die Geldmittel, die zu einem sorglosen Künstlerleben nötig waren, aber sie hatte auch die Herrschaft im Hause, sie bestimmte und nach ihrem Willen musste alles gehen."
Im Gemälde selbst wirkt die Künstlerin weniger selbstbewusst als von Elisabeth Macke beschrieben. Dies liegt zum einen daran, dass man sich auf gleicher Höhe mit der Dargestellten befindet. Zum anderen mildert der pastose Pinselduktus den Eindruck der allzu bestimmenden Persönlichkeit. Er erinnert an die Malerei van Goghs und zieht selbst viel Aufmerksamkeit auf sich.
Autor:innen: Annegret Hoberg, Roman Zieglgänsberger
Am Kamin
Werefkins Gemälde Am Kamin ist im Stil Edvard Munchs und damit für die Malerin ungewöhnlich flüssig ausgeführt. Obwohl es nicht in München entstanden ist, ...
... vermag es uns gut zu veranschaulichen, wie Werefkin dort ihre Rolle als intellektuelle Gesellschaftsdame interpretierte. In ihrem „Rosafarbenen Salon“ empfing sie Künstler und Kulturschaffende genauso wie Botschafter und Politiker. Die Themen der Diskussionsabende waren höchst unterschiedlicher Natur, obwohl der Fokus auf künstlerischen Dingen gelegen hat. Komponisten, Tänzer oder Musiker sprachen an ihrem Tisch sowohl mit Malern, Literaten und Museumsdirektoren als auch mit durchreisenden Gästen, wie Verwandten aus dem russischen Adel. Entscheidend ist, dass all diese Gespräche – und das zeigt das Bild Am Kamin äußerst selbstbewusst, allein von Werefkin moderiert wurden.
So hat im linken rosafarbenen Sessel eine Frau Platz genommen – gemeint ist natürlich Werefkin als Wortführerin –, die einen Sachverhalt mit der Hand in den Raum hinein „darlegt“. Die beiden männlichen „Salonlöwen“ versuchen, das Ausgesprochene aufzunehmen und geistig zu verarbeiten: Der linke Frackträger führt den Gedanken mit der Hand zum Kopf, der rechte hingegen an sein Ohr – ob ihnen dies gelingt, scheint jedoch, so dekorativ wie sie dargestellt sind, eher fraglich zu sein. Der zweite Sessel vor dem Kamin für einen auf Augenhöhe befindlichen Gesprächspartner bleibt leer.
Bei derlei Gelegenheiten formulierte Werefkin vermutlich wortreich und bestimmt nicht nur einmal eine ihrer Hauptmaximen: „Die Kunst der Zukunft ist die emotionale Kunst.“ Ein wichtiger Ansatz, der im Jahr 1909 in veränderter Form einfließt in das Gründungszirkular der Neuen Künstlervereinigung München.
Autor:innen: Annegret Hoberg, Roman Zieglgänsberger
Schindelfabrik
Bei der Schindelfabrik von Marianne von Werefkin handelt es sich um ein Hauptwerk der Künstlerin. Schon im Jahr 1910, als es entsteht, sind alle entscheidenden Eigenheiten ausgebildet, ...
... die Werefkins Werk bis zu ihrem Lebensende charakterisieren sollten. Dazu gehören die bedrückende Grundstimmung und das Andeuten von Geschichten, die wir als Betrachtende „weiterspinnen“ können. Kennzeichnend für die Künstlerin sind auch eine wohltuende Naivität in der Schilderung ihrer Figuren sowie der traumhafte Charakter der von ihr erfundenen Szenen. In diesem Fall ist es eine Schindelfabrik in Oberau in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen. Davor steht ein Arbeiter, er wirkt wie von unsichtbarer Hand marionettenartig gelenkt. Unheimlich wird die Szenerie aber vor allem durch den Umstand, dass alle Öffnungen des Gebäudes verbarrikadiert sind und die Fabrik von einer bedrohlich wirkenden Bergkulisse hinterfangen ist. Der Berg selbst wird durch den Schornstein zum Vulkan, der jederzeit ausbrechen könnte. Der Mensch, der hier arbeitet, lebt oder leben muss, ist nicht sicher.
Die ab 1907 entstehenden expressionistischen Werke der Künstlerin zeigen stilistisch eine homogene Flächigkeit. Sie wird durch einen regelmäßig gesetzten, schmalen Pinselstrich erzeugt und belebt. Paul Gauguin war hier für die Künstlerin inhaltlich wie formal stilprägend.
Autor:innen: Annegret Hoberg, Roman Zieglgänsberger
Stillleben mit Heiligenbild
Zwei Jahre vor dem Ersten Weltkrieg malte Jawlensky ein außerordentlich farbiges, zudem sehr feierliches Gemälde: das Stillleben mit Heiligenbild. Bisher nicht erkannt ...
... wurde die Bedeutung dieses Stilllebens für das zukünftige Werk des Künstlers sowie für dessen dualistisches Weltverständnis.
Jawlensky erweckt hier auf einer Tischplatte unterschiedlichste ‚stille‘ Gegenstände vor unseren Augen zum ‚Leben‘. Das gelingt ihm durch sein Gespür für Farbrhythmik und einen pulsierenden Pinselduktus. Dabei scheint es beinahe so, als ob die Dinge auf dem abgesteckten und ihnen zugewiesenen Feld noch ihren festen Platz suchten.
Der rote Vorhang, zu sehen am linken Bildrand, ist ausnahmsweise aufgezogen worden – als wäre ein Feiertag, an dem der Altar geöffnet wird. Nur deshalb wird für uns ein Heiligenbild sichtbar. Von diesem anderen, ‚höheren‘ Ort neigt sich ein Heiliger den Dingen zu und betrachtet das leicht unübersichtliche Geschehen auf dem begrenzten Tisch.
Für Jawlensky war immer klar, dass sich die Welt aus einer irdisch-diesseitigen Sphäre und einer überirdisch-jenseitigen zusammensetzt. Dass für ihn beides nicht voneinander zu trennen ist, wird durch den festlich-violetten Purpurton verdeutlicht, der beide Bildbereiche optisch miteinander verbindet.
Jawlensky und Werefkin sammelten genauso wie Kandinsky und Münter seit ihren Aufenthalten in Murnau viele Hinterglasbilder. In zweierlei Hinsicht fanden sie diese für ihre Kunst anregend: 1. weil die Farbflächen in ihnen klar voneinander geschieden sind und die Perspektive damit aufgehoben wird. 2. sagte ihnen die prinzipielle Naivität der bayerischen Hinterglasmaler zu. Sie setzten sie gleich mit der aktuellen Suche nach dem Ursprünglichen, einem Grundanliegen der Künstler der Avantgarde.
Autor:innen: Annegret Hoberg, Roman Zieglgänsberger
Alexej von Jawlensky (1864—1941) und Marianne von Werefkin (1860—1938) sind in den Kanon der Kunstgeschichte als eines der wegweisenden Künstlerpaare der Avantgarde eingegangen. Mit der von ihnen 1909 initiierten Gründung der „Neuen Künstlervereinigung München“, aus der zwei Jahre darauf der „Blaue Reiter“ hervorgegangen ist, haben sie nicht nur als Vordenkerin (Werefkin) und malerischer Impulsgeber (Jawlensky) dieser Vereinigungen die Moderne vorangetrieben, sondern auch jeder für sich und zusammen als Paar einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Kunst am Beginn des 20. Jahrhunderts geleistet.
Bemerkenswert ist aus diesem Grund, dass ihre Bedeutung bislang lediglich innerhalb dieser Vereinigungen beleuchtet oder in Einzelausstellungen gewürdigt wurde, sie aber als private wie künstlerische „Partner“, die sie über 25 Jahre (1892—1921) gewesen sind, noch nicht ge-meinsam und explizit vorgestellt wurden.
In der vom Museum Wiesbaden und dem Lenbachhaus München in enger Kooperation konzipierten Ausstellung werden die individuellen künstlerischen Werdegänge (Sankt Petersburg, München, Murnau, Schweiz) beider Persönlichkeiten verfolgt, zueinander in Beziehung gesetzt und mit ihren ständig in Veränderung begriffenen privaten Verhältnissen in Verbindung gebracht.
Marianne von Werefkin, Briefe an einen Unbekannten, 1903
Der Begriff „Lebensmenschen“ deutet die zu keinem Zeitpunkt einfache, vielmehr hochkomplexe, intensive, zwischenmenschliche Beziehung der beiden starken Künstlerpersönlichkeiten zueinander an. Sie ging (auch und gerade aufgrund des gemeinsamen künstlerischen Weges, den sie — allerdings jeder auf seine Weise — zurückgelegt haben) weit über eine Partnerschaft im gewöhnlichen Sinne hinaus. Zudem bestand weiterhin eine innere Verbundenheit nach der endgültigen Trennung im Jahr 1921, ohne dass Jawlensky und Werefkin direkten Kontakt hatten. Auch als sie ihre Partnerschaft aufgegeben hatten, blieben sie — wohl aufgrund dieser gemeinsam erlebten, sie gegenseitig künstlerisch wie persönlich stark prägenden Jahre — von höchster Bedeutung füreinander. Sie waren Menschen fürs Leben, nicht nur für die Jahre der Partnerschaft, die ohnehin nur schwer zu bestimmen sind. Denn kaum einzugrenzen ist bis heute, ab welchem Zeitpunkt sie Bekannte, Freunde, Geliebte, Partner oder nebeneinander her lebende Kollegen waren. Als Jawlensky 17 Jahre nach der ‚Trennung‘ im Februar 1938 vom Tod Werefkins, seines ‚Lebensmenschen‘, erfuhr, habe ihn „die traurige Nachricht … tief erschüttert“ und es sei „schwer“ gewesen, „ihn zu trösten“. Lily Klee, die Frau des Malers Paul Klee, charakterisierte in ihren Erinnerungen sehr treffend „deren Verhältnis“, das „keine Ehe war“, als „eine erotisch platonische Freundschaftsliebe.“
Marianne von Werefkin zu Hans Sahl, eine Erinnerung an eine Begegnung in Ascona vor 1930
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Apple und das Apple Logo sind Marken der Apple Inc., die in den USA und weiteren Ländern eingetragen sind. Mac App Store ist eine Dienstleistungsmarke der Apple Inc.
Pädagogische Gruppen haben bei uns freien Eintritt (inklusive zwei Begleitpersonen).
KONTAKT UND ANMELDUNG
Gruppen ohne Buchung bitten wir ebenfalls um eine vorherige Anmeldung.
Telefon: 0611 335 2185 oder edu@museum-wiesbaden.de
Dauer: 45 min
Kosten: 45,— Euro
Die Erweiterten Führungen finden ausschließlich in der Ausstellung statt.
Dauer: 90 min
Kosten: 75,— Euro
Workshops bestehen aus einer Ausstellungsführung und anschließendem Arbeiten im Atelier.
Dauer: 135 min
Kosten: 90,— Euro zzgl. Materialkosten 0,50 Euro je Kind
Lebensmenschen. Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin
Roman Zieglgänsberger (Hrsg.), Annegret Hoberg (Hrsg.), Matthias Mühling (Hrsg.)