Purpur, hergestellt aus räuberisch lebenden Meeresschnecken des Mittelmeers, war einst der kostbarste Farbstoff. Wer Purpur trug, demonstrierte Reichtum, weltliche und kirchliche Macht. Mit dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1453 und dem Niedergang des Byzantinischen Reiches verschwand der Purpurfarbstoff. Während das Ende der Purpurfärberei mit diesem Datum historisch belegt ist, liegt ihr Ursprung im Dunkeln.
Funde von großen Mengen an Purpurschnecken auf Kreta aus der Zeit der minoischen Kultur um 1600 v. Chr. legen den Beginn der Purpurfärberei in der Bronzezeit nahe. Bedeutende Orte der Purpurproduktion waren die phönizischen Städte Tyros und Sydon, heute im Libanon gelegen. Aber auch rund um das Mittelmeer, auf Djerba, dem Peleponnes oder den Küsten Siziliens wurde später der Farbstoff gewonnen. Vielfach wird in den Schriften des Altertums über die edlen purpurfarbenen Stoffe berichtet. Doch wurde auch damit gemalt, gab es auch ein Purpurpigment?
Es gibt wenige historische Hinweise, diese jedoch haben eine Künstlerin gereizt, das Purpurpigment noch einmal zu erfinden. Inge Boesken Kanold lebt und arbeitet in Südfrankreich und hat Zugang zu Purpurschnecken.
Die Art Hexaplex trunculus, die Stumpfe Stachelschnecke, wird dort auf den Märkten als Delikatesse verkauft.
Die Künstlerin hatte also die Schnecken und eine Beschreibung des römischen Gelehrten Plinius der Älteren (24 bis 79 n. Chr.). In seiner mehrbändigen Naturgeschichte, der „Naturalis Historia“ beschreibt er die Herstellung eines Pigmentes aus Purpurfarbstoff und der Kreide „creta argentaria“, feinen Silberputzkreide. Er nennt dieses Pigment purpurissum. Für die tatsächliche Verwendung dieses Pigments im Altertum gibt es wenige Hinweise.
Eine Spur findet sich in Akrotiri auf der griechischen Insel Santorini. Ein Vulkanausbruch verschüttete 1750 v. Chr. die bronzezeitliche Stadt und damit auch die Wandmalereien aus der Blütezeit der minoischen Kultur. In den 1960er Jahren wurden die unter einer Bimssteinschicht konservierten Wandmalereien freigelegt. Das Purpurpigment findet sich bei einer Darstellung der Blütenblätter des Safrans und an kleinen Details von Frauenkleidern. Mehr als 1500 Jahre später begrub der Vesuv die Schätze der römischen Stadt Pompeji. Einen Nachweis des Purpurpigments purpurissum in den freigelegten Fresken gibt es noch nicht, jedoch wurden violette Pigmentklumpen aus Pompeji seit ihrem Auffinden im Jahr 1880 immer wieder auf Purpur untersucht. Galt für eine 1965 durchgeführte Untersuchung das Purpurissum noch als sicher nachgwiesen, konnten die 2005 veröffentlichten Ergebnisse dieses nicht bestätigen – aber auch nicht ausschließen.
Inge Boesken Kanold experimentierte mit den wenigen Angaben nach Plinius Beschreibungen. Sie stand im Austausch mit engagierten Menschen aus der Wissenschaft, dem Färberhandwerk und der Kunst. Im Januar 2001 entwickelte sie mit einem Physiker ein Rezept für die Färberküpe, fünf Jahre später mit einem Chemiker das Purpurpigment mit dem sie und andere arbeiten können (Bei der Fa. Kremer Pigmente ist das Purpurissum Pigment zu erwerben).
Im Jahr 2019 konnte ich zusammen mit Stefan Muntwyler, Juraj Lipscher und Hanspeter Schneider und unseren Partnern und Partnerinnen Inge Boesken Kanold besuchen. Sie hatte sich bereiterklärt für „Das Farbenbuch“ (Erschienen 2022 im Alata Verlag) Purpurproben zu färben und Stefan Muntwyler konnte mit dem Purpurpigment Farbaufstriche anlegen.
Die Geschichte wie sie zu ihrer Arbeit mit Purpur gekommen ist, hat sie ausführlich in einem Aufsatz im „Das Farbenbuch“ beschrieben. Weiter Informationen über sie und ihre Arbeiten finden sich auf ihrer Internetseite.
Die Fotografien von Hanspeter Schneider dokumentieren die einzelnen Schritte der Arbeit. Ihre Utensilien sind noch bis zum 28. April 2024 in der Studienausstellung „Tierisch Rot“ zu sehen. Sie hat sie und eine kleine Auswahl ihrer Bilder freundlicherweise für das Ausstellungsprojekt zur Verfügung gestellt, da sie zur Zeit wieder mit anderen, teilweise auch alten Farben malt.
Autorin:
Susanne Kridlo, Kuratorin der Naturhistorischen Sammlungen