Eine Schenkung zum Jugendstil

Frankfurter Sammlerpaar Dres. Marlene und Nicolae Marinescu schenken dem Museum Wiesbaden 2020 ein Konvolut von 18 Keramikobjekten der Royal Dux Manufaktur und 13 Brieföffnern zur Erweiterung der Jugendstilsammlung:

13 Vasen, 2 Obstschalen, 1 Centerpiece, 2 Elefantenfiguren und 13 Jugendstil- Brieföffner

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Ein herzliches Dankeschön an Dres. Marlene und Nicolae Marinescu

Marlene und Nicolae Marinescu auf ihrer Terrasse in Frankfurt, 2020. Foto: privat
Marlene und Nicolae Marinescu auf ihrer Terrasse in Frankfurt, 2020. Foto: privat

Nach der Eröffnung der großen Jugendstilsammlung von Ferdinand Wolfgang Neess im Museum Wiesbaden 2019 besuchte das Sammlerpaar Marinescu die neu eingerichtete Dauerausstellung und entdeckte darin auch eine Arbeit der Böhmischen Manufaktur Royal Dux. Da sie die Präsentation überzeugte, nahmen sie Kontakt mit dem Museum auf, um ihre gesamten Werke von Royal Dux hier in treue Hände zu geben. Das Museum willigte begeistert ein und so werden die Arbeiten post mortem ans Haus kommen und in die Jugendstilsammlung überführt werden.

In den letzten drei Jahren seit der Schenkung kamen noch weitere Objekte von Royal Dux zur Sammlung hinzu, die auch Teil der Schenkung werden sollen. Bei einem Besuch in Juni 2023 konnte Kurator, Dr. Peter Forster, diese zum ersten Mal in Augenschein nehmen.

Dr. Marlene Marinescu im Gespräch mit Dr. Peter Forster

Ein Film des Besuchs von Dr. Forster am 27. Juni 2023 bei den Marinescus in Frankfurt am Main.

Zwei Vasen aus der Manufaktur Royal Dux
Zwei Vasen aus der Manufaktur Royal Dux

Die Marinescus trugen im Laufe von fast 50 Jahren drei Sammlungen zusammen, die nun an drei Museen geschenkt wurden: „Rumänische Ölbilder entstanden nach 1950“ 2020 an das Kunstmuseum Craiova in Rumänien,„Böhmische Keramik der Manufaktur AMPHORA“ aus Teplitz, 2016 an das GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig, „Böhmische Keramik der Manufaktur Royal Dux“ aus Duchov, 2020 an das Museum Wiesbaden.

Das Interesse für die rumänische Malerei entstand bei beiden Sammlern bereits bevor sie sich kannten, hauptsächlich durch Besuche bei privaten Sammlungen in Bukarest.

Die Schwerpunkte der Sammlung Marinescu

Meistens in kleinen, bescheidenen Wohnungen untergebracht. Dort hingen Werke von großen Meistern an den Wänden, die jeder Kunstinteressent nach Vereinbarung mit den Eigentümern bewundern konnte. So entstand der Wunsch, selbst Bilder zu sammeln und anderen Kunstliebhabern zugänglich zu machen. Nach ihrer Hochzeit im Jahr 1964 begannen sie gemeinsam nach Bildern zu recherchieren und kaufen die ersten Gemälde. Über viele Jahre pflegten sie den Kontakt zu Künstlern und 1967 kaufte Marlene Marinescu in der Galerie des Fondul Plastic in Bukarest ein Gemälde von Spiru Chintilă, eines berühmten Künstlers seiner Zeit. Die „Anemonen“ war das erste Objekt der Sammlung. Es folgten in den nächsten Jahren weitere 13 Arbeiten von Chintilă, mit dem die beiden bis zu seinem Tod 1985 befreundet waren. Alle 14 Gemälde wurden 2020 dem Kunstmuseum in Craiova, der Geburtsstadt von Nicolae Marinescu geschenkt.

Ende der 1960er Jahre kamen die zwei Sammler nach Deutschland, wo sie sich in Frankfurt am Main niederließen. Einige Jahre danach war der Kontakt mit der Kunstszene in Bukarest aus politischen Gründen nicht mehr möglich, doch nach dem großen Erdbeben von 1977 durfte Nicolae Marinescu seine in Bukarest verbliebene Mutter wieder regelmäßig besuchen und konnte dadurch neue Kontakte mit Künstlern knüpfen. 

So entstand eine Sammlung von über 40 Bildern, die bis heute weiter wächst.

Das Lieblingswerk von Frau Dr. Marinescu

Auf die Frage, welches ihr Lieblingswerk sei, antwortet Frau Marinescu zögerlich. Der Grund für ihr Zögern ist nachvollziehbar, denn sie befürchtete, nicht jeder würde ihre Entscheidung nachvollziehen können. Denn die Geschichte dieser Obstschale, die jetzt in ihrer Eingangshalle bewundert werden kann, ist außergewöhnlich und darf bestaunt werden.

Sie beginnt 1904 auf der Weltausstellung in St. Louis (USA), als ein Objekt aus derselben Model-Reihe den großen Preis erhielt. Die Schale wird von zwei jungen Frauen geschmückt, die mit ihren Körpern und fließenden Gewändern die aufragende Skulptur umhüllen. Seit fast 120 Jahren ist sie eines der bekanntesten und geschätzten Werke der Manufaktur Royal Dux.

Doch das Exemplar, das jetzt in der Frankfurter Wohnung des Sammlerpaares steht und demnächst im Museum Wiesbaden in die Jugendstil Sammlung überführt werden wird, hat schwere Zeiten durchgemacht.

Bis 2016 befand sich die Obstschale in Bukarest, zuletzt in einem kleinen Antiquariat im Zentrum der Stadt (siehe Abbildung). Dort entdeckte sie Frau Marinescu im Sommer 2016, während eines Aufenthalts in der alten Heimat. Kurz vor der Abreise zum Flughafen konnte sie ein Gespräch mit dem Eigentümer des Ladens führen, der ihr erzählte, dass die Obstschale von einem hochbetagten Herrn zum Verkauf angeboten wurde. 1920 war sie das Hochzeitsgeschenk seiner Eltern. 1977 wurde sie jedoch bei dem großen Erdbeben in Rumänien schwer beschädigt und zerbrach in unzählige Scherben. Zum Glück blieben aber alle Teile erhalten. Sie wurde wieder zusammengesetzt, aber man sah mit bloßem Auge ihre Beschädigung. Trotzdem entschied sich Frau Marinescu das Objekt zu reservieren, ohne zu wissen, welche Bedeutung es für Royal Dux hatte.

Zurück in Frankfurt erfuhren die Marinescus — nach einer kurzen Recherche — von dem großen Preis von 1904 und von der Bekanntheit des von ihnen in Bukarest entdeckten Meisterwerks des Jugendstils. Sie ließen die Schale aufwändig restaurieren und „retteten“ sie somit vor dem Verfall. Heute erstrahlt sie wieder im alten Glanz ohne eine Spur der Beschädigung von 1977.

Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Im Sommer 2016, im Antiquariat in Bukarest. Foto: Marlene Marinescu
Im Sommer 2016, im Antiquariat in Bukarest. Foto: Marlene Marinescu

Der Sammlungsschwerpunkt Royal Dux Bohemia

Alles begann tatsächlich mit der Liebe für die Manufaktur Amphora. Diese war um 1900 ebenso populär wie einst Royal Dux Bohemia. Während es die Manufakur Amphora seit 1918 nicht mehr gibt, produziert Royal Dux Bohemia bis heute in Duchcov, einer Stadt in Tschechien.

Die Marinescus sind in den 1980er Jahren auf Royal Dux Bohemia aufmerksam geworden. Damals waren sie auf einer Reise in Paris und entdeckten in dem berühmten Louvre des Antiquaires gegenüber des Louvres mehrere Objekte von Royal Dux. Hier entstand die Begeisterung für diese Manufaktur.

Während die Arbeiten der Manufaktur Amphora als Schenkung an das GRASSI Museum für Angewandte Kunst nach Leipzig gingen, konnte Wiesbaden die Werke von Royal Dux für die Jugendstilsammlung sichern. Wir freuen uns nun über die Schenkung Marinescu mit dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst verbunden zu sein.

Die Geschichte von Royal Dux Bohemia

In Dux (tschechisch Duchcov) wurde 1853 eine der ersten Keramikfabriken des ehemaligen Königreichs Böhmen eröffnet. Zunächst widmete sich die Produktion der Herstellung von Gebrauchsgegenständen. Mit der Übernahme der Fabrik durch den erfahrenen Modellierer Eduard Eichler beschritt die Manufaktur unter dem Namen „E. Eichler Thonwaren-Fabrik“ ab 1860 neue Wege. Erstmals wurden Terrakotta, Fayence und Majolika hergestellt. Diese ähnelten in ihrem Stil den äußerst gefragten Keramiken aus Kopenhagen, Sèvres und Worcester und fanden international großen Absatz. Im Jahr 1878 gewann die „E. Eichler Thonwaren-Fabrik“ die Goldene Medaille auf der Ausstellung in Paris. Das Unternehmen vergrößerte sich durch den Zukauf einer kleinen Fabrik in Šelty bei Česká Lípa.

Hans Wilhelm, Sohn Eduard Eichlers, übernahm und modernisierte das Unternehmen. Als Aktiengesellschaft erhielt es 1898 den neuen Namen „Duxer Porzellan-Manufaktur AG“ mit Hauptsitz in Berlin. Die Produktion in Šelty wurde aufgelöst und die Porzellanfabrik in Blankenhain bei Weimar angekauft. Ab Um 1900 wurde außerdem begonnen, die Keramiken mit dem bis heute verwendeten rosafarbenen Dreieck mit der Inschrift ROYAL DUX BOHEMIA zu versehen.

Die Zeit des Jugendstils gehörte zu den erfolgreichsten in der Geschichte der Manufaktur. Der Chefmodellierer Alois Hampel entwickelte Formen, die zahlreiche Preise gewannen. Viele der elegantesten Jugendstilfiguren von Royal Dux Bohemia, für die das Unternehmen viel Anerkennung erhielt, entstanden durch seine Hand. So wurde die Manufaktur 1904 den Grand Prix auf der Weltausstellung in St. Louis ausgezeichnet, 1906 mit der Silbermedaille bei der Messe in Mailand sowie mit der Goldmedaille in Liberec. Der Betrieb wuchs in dieser Zeit auf rund 500 Arbeiter:innen an und verfügte einen eigenen Dampfbetrieb und ein Elektrizitätswerk. In ganz Europa gab es Vertriebsstellen. Die Geschäftsverbindungen reichten bis nach Russland und Nordamerika.

Das stetige Wachstum des Unternehmens nahm mit dem ersten Weltkrieg ein abruptes Ende. Die beiden Weltkriege stürzten das Unternehmen in finanzielle Nöte und wichtige Handelsbeziehungen wurden unterbrochen. Ab Mitte der 50. Jahre gelang es Royal Dux Bohemia seine verlorene Stellung auf den Weltmärkten allmählich wiederzugewinnen. Erfolge wie die Teilnahme an der Weltausstellung in Brüssel EXPO 58 mit der Kollektion von Prof. Jaroslav Ježek trugen hierzu maßgeblich bei.

Bis heute stellt Royal Dux Bohemia traditionelle sowie moderne Figuralmotive und dekoratives Porzellan her. Die herausragenden Stücke aus der Zeit der Jahrhundertwende, die mit der Schenkung Marinescu die Jugendstilsammlung des Museum Wiesbaden bereichern werden, zeugen von großer Meisterschaft und spiegeln den Zeitgeist um 1900 in besonderer Weiser wider.

Quellen:

Beruflicher Werdegang der Sammler Marinescu

Ehepaar Marinescu 2023 in ihrem zu Hause. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Ehepaar Marinescu 2023 in ihrem zu Hause. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Beide Sammler: Marlene (*1940) und Nicolae (*1939) studierten in den Jahren 1956—1961 in Bukarest, Marlene Elektrotechnik und Nicolae Physik.

Nach dem Studium arbeiteten sie in verschiedenen Instituten in Bukarest, bis sie 1969 nach Deutschland kamen. Hier haben sie promoviert. Marlene erlangte 1980 den Titel „Dr. Ing.“ der Universität Braunschweig, Nicolae 1971 den Titel „Dr. rer. nat.“ an der Universität Heidelberg, wo er sich später habilitiert hat. In den 1990er Jahren haben beide zudem den Professorentitel erhalten.

Gemeinsam haben die beiden für zahlreiche Firmen aus Deutschland und dem Ausland Entwicklungs- und Beratungsprojekte begleitet.

Im Jahr 1985 gründeten die Marinescus dann eine eigene Firma: MAGTECH — für Forschung und Entwicklung für Magnettechnik.

Darüber hinaus übten sie über viele Jahre Lehrtätigkeiten an mehreren Hochschulen in Hessen aus und konnten mehrere Lehrbücher im renommierten wissenschaftlichen Springer Verlag veröffentlichen.

Jugendstil
Schenkung F. W. Neess

Das Museum Wiesbaden zeigt die Sammlung von Ferdinand Wolfgang Neess als dauerhafte Präsentation im Südflügel des Museums Wiesbaden. Die über 500 Objekte bilden einen Querschnitt durch alle Gattungen des Jugendstils und führen beispielhaft vor, in welcher Qualität und Stilhöhe die Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts auftrat.

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