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Micha Ullman — Zum 85. Geburtstag

GRUSSWORT

Micha Ullman, NachTag, 2006, Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Der israelische Künstler Micha Ullman, dessen wohl bekanntestes Werk das 1995 auf dem heutigen Berliner Bebelplatz (früher Opernplatz) eingeweihte Mahnmal zu der dort während des Nationalsozialismus stattgefundenen Bücherverbrennung (10.05.1933) ist, feiert in diesen Tagen seinen 85. Geburtstag.

Das Museum Wiesbaden nimmt Micha Ullmans Geburtstag zum Anlass und präsentiert die im Zusammenhang mit dem Mahnmal in den Jahren 1994/95 geschaffene 15-teilige Zeichnungsserie "Bibliothek. Bücherverbrennung 10.5.1933". Mittels großformatiger Zeichnungen (Graphit auf Papier, teilw. Graphit und Aquarell auf Papier) thematisiert Micha Ullman verschiedene Aspekte, die einerseits auf die Baugeschichte der in den Untergrund eingelassenen Skulptur verweisen, als auch Eindrücke, die beim Betrachten der Raumskulptur auf dem Bebelplatz erfahrbar werden.

Micha Ullman, Die Bibliothek. Das Grundwasser, 1994
Micha Ullman, Die Bibliothek. Das Grundwasser, 1994

Der Platz erscheint zunächst leer, in der Mitte befindet sich ein unterirdischer, nicht begehbarer, ebenfalls leerer Raum – die Bibliothek. Aufgrund geologischer Bedingungen liegt der Baukörper Bibliothek als ein Raum im Raum ähnlich einer Arche Noah im Berliner Grundwasser. Die Ausmaße des weißen Raumes mit seinen leeren Regalen können vom Betrachter durch die ebenerdig liegende quadratische Glasplatte je nach Tageszeit und entsprechender Beleuchtung mehr oder weniger deutlich erfasst werden. In der Glasplatte spiegeln sich die den Platz säumenden Gebäude, die Betrachterinnen und Betrachter oder auch die am Himmel ziehenden Wolken. Assoziationen an Rauchwolken werden ausgelöst – in den Zeichnungen findet dieses Bild seine Entsprechung in einem über den Blättern liegendem Schleier aus feinstem Graphit-Pulver.

Micha Ullman ist dem Museum Wiesbaden seit Jahrzehnten eng verbunden. 2003 widmete das Museum ihm eine umfassende Ausstellung mit Bodenarbeiten und Sandzeichnungen. Im Anschluss daran fanden zwei Bodenarbeiten einen dauerhaften Ort im Museum (NachTag und MorgenAbend). NachTag empfängt die Besucherinnen und Besucher seit 2006 in einem neu geschaffenen Oberlichtsaal im 2. Obergeschoss. Für einige Woche teilt die Arbeit sich nun diesen Ort mit der Serie von Zeichnungen zur Berliner "Bibliothek". Beide Arbeiten thematisieren das Abwesende, zugleich damit aber auch das gegenwärtig Seiende. Leer und Fülle gehören untrennbar zueinander.

Autor:innen:

Miriam Merz
Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen

Jörg Daur
Kustos moderne und zeitgenössische Kunst

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