Anlässlich seines 80. Geburtstags gründet der leidenschaftliche Wiesbadener Sammler Frank Brabant 2018 eine großherzige Stiftung: Seine umfassende Kunstsammlung, die vornehmlich expressionistische und neusachliche Tendenzen der Klassischen Moderne von etwa 600 Werken beinhaltet, wird zukünftig an das Staatliche Museum in Schwerin und an das Landesmuseum in Wiesbaden angeschlossen. In Schwerin wurde Brabant 1938 geboren, Wiesbaden machte er vor knapp 60 Jahren zu seiner Wahlheimat.
Wie sehr sich die Sammlung Brabant in das Museum Wiesbaden einfügt, legt die Ausstellung Von Beckmann bis Jawlensky, die neben vielen Highlights namhafter Künstlerinnen und Künstler auch das breite Spektrum der Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorstellt, wunderbarst offen.
Der 1938 in Schwerin geborene Kunstsammler, übersiedelte 1958 nach Wiesbaden. Hier wird Brabant zum leidenschaftlichen Sammler. Bei einem Besuch 1964 in Frankfurt am Main erwarb er im Kunstkabinett von Hanna Bekker vom Rath sein erstes Kunstwerk, den Holzschnitt Der Redner von Max Pechstein. Er ist häufig Gast der Galeristin und Malerin in ihrem „Blauen Haus“ in Hofheim im Taunus. Hier begegnet er unter anderem Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Ludwig Meidner, dem Kunsthändler Henry Kahnweiler, dem Sohn Paul Klees, Felix, und der Familie Jawlensky.
Im Jahr 1969 eröffnete er die erste Diskothek in Wiesbaden „Pussycat“, in der viele Prominente des ZDF u.a. Donna Summer und Udo Jürgens seine Gäste sind. Im Verlauf der foglenden zwanzig Jahre entwickelte er seine Sammlung mit Werken der Künstler der 1920er-Jahre, des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit weiter. Anlässlich der Ausstellung Horizont Jawlensky. Alexej von Jawlensky im Spiegel seiner künstlerischen Begegnungen (2014) schenkte er dem Museum Wiesbaden das frühe Gemälde Helene im spanischen Kostüm von Jawlensky. Die Sammlung Frank Brabant zählt heute insgesamt ca. 600 Werke, die später den Bestand der Museen in Wiesbaden und Schwerin bereichern werden.
Angefangen hat alles mit einem Holzschnitt von Max Pechstein, den sich Frank Brabant von dem Geld kaufte, das er für seinen ersten VW-Käfer gespart hatte. Später kamen Werke von Alexej von Jawlensky, Ernst Ludwig Kirchner, August Macke, Georg Tappert, Emil Nolde, Otto Dix, Max Beckmann und vielen anderen hinzu. Zielgerichtet erwarb er Werke der frühen Avantgarde, die den Kontexten des Jungen Rheinlands, der Berliner Sezession, der November-Gruppe, der Brücke, dem Blauen Reiter, dem Sturm oder dem Magischen Realismus angehören. Ein zentrales Sammlungsgebiet bilden Werke der sogenannten ‚verschollenen Generation‘. Damit sind Künstler gemeint, die durch Krieg, Vertreibung, Verbannung, Weltkrieg oder der nationalsozialistischen-Diktatur ihre Karrieren unterbrochen haben oder diese im Exil fortsetzten.
In der Ausstellung werden unter anderem folgende Künstler zu sehen sein:
Heinrich Campendonk, Otto Dix, Lyonel Feininger, Conrad Felixmüller, George Grosz, Erich Heckel, Hanna Höch, Karl Hofer, Wassily Kandinsky, Alexander Kanoldt, Ernst Ludwig Kirchner, Käthe Kollwitz, August und Helmuth Macke, Jeanne Mammen, Franz Marc, Ludwig Meidner, Otto Mueller, Emil Nolde, Max Pechstein, Otto Ritschl…
Frank Brabants Sammelleidenschaft wurde durch Werke aus dem Umfeld der frühen avantgardistischen Künstlervereinigungen „Brücke“ und „Der Blaue Reiter“ geweckt. Bald folgten Arbeiten von Fritz Bleyl, Ernst Ludwig Kirchner, Otto Mueller, Erich Heckel, Emil Nolde oder Karl Schmidt-Rottluff, die alle ebenfalls zur 1905 in Dresden gegründeten Künstlergruppe „Brücke“ gehörten. Gleichzeitig waren es aber auch die Maler aus dem Umfeld des 1911 in München ins Leben gerufenen „Blauen Reiters“, die ihn ansprachen. Neben Heinrich Campendonk, Adolf Erbslöh, Wassily Kandinsky, August Macke oder Franz Marc war es insbesondere Alexej von Jawlensky, von welchem er heute aus jeder Schaffensphase mindestens ein repräsentatives Werk besitzt. Die besondere Beziehung zum Werk dieses russischen Künstlers erklärt sich durch die Tatsache, dass Jawlensky, der von 1921 bis zu seinem Tod 1941 in Wiesbaden lebte, vor bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg hier nicht nur durchgehend präsent war, sondern auch im Nachhinein prägend wirkte.
Dass Brabant gleich zu Beginn seiner Sammeltätigkeit neben den wohlbekannten großen Namen Interesse zeigte an Künstlern, deren Werk aufgrund der Zäsur des Nationalsozialismus in Vergessenheit geriet, zeigen die Arbeiten von César Klein, Siegfried Bernd oder Curt Erhardt. Viele dieser schon früh von Brabant gesammelten Maler/innen wie Jeanne Mammen oder Hanna Höch wurden erst kürzlich wiederentdeckt.
Sowohl im Expressionismus als auch in der Neuen Sachlichkeit herrschen die seit Jahrhunderten eingeführten Gattungen vor. Bei Frank Brabant zu Hause, der immer mindestens ein großes Blumenbukett im Wohnzimmer hat, begegnet jedoch eine Untergattung der Stillleben-Malerei gehäuft: das Blumenbild.
Diese vielen Blumendarstellungen scheinen die beiden, sich in der Sammlung konträr gegenüberstehenden Stilrichtungen inhaltlich wechselseitig zu ergänzen. Die „expressiven“, leidenschaftlich ausgeführten Blumenbilder (etwa Maria Caspar-Filser oder Siegfried Donndorf) betonen durch den mitreißenden Pinselduktus vor allem die Lebendigkeit der Natur, während die „neusachlich“, klar wiedergegebenen Arrangements (etwa Carlo Mense oder Grethe Jürgens) durch ihren scharf gezeichneten Detailreichtum und den damit eingefrorenen Moment der Stille, die zum näheren Betrachten auffordert, die Vielgestaltigkeit der Natur hervorheben. Temperament und Präzision schließlich scheinen im Gemälde Blumen im Bauerkrug von Paul Kuhfuss vereint, weshalb das Bild eine Sonderstellung innerhalb der Sammlung einnimmt.
Ein Höhepunkt in der Kollektion ist das Stillleben mit grüner Kerze Max Beckmanns. Es entstand 1941 im Amsterdamer Exil mitten im Zweiten Weltkrieg und deutet durch die roten Blumen, die „überreif“ sind und im nächsten Moment zu kippen drohen, sowie die Kerze, die bald rauchend ausgehen wird, in dieser katastrophalen historischen Krise der Menschheit als Memento mori auf die Vergänglichkeit jeglichen Lebens hin.
Die Weimarer Jahre von 1919 bis 1933 waren geprägt durch den Zwiespalt von Arm und Reich, von unübersehbarer Not und übertriebener Ausgelassenheit. Die um 1915 als Gegenposition zur abstrakten Kunst aufgekommene Stilrichtung der Neuen Sachlichkeit war das ideale Mittel für die Künstler wie Otto Dix, George Grosz, Käthe Kollwitz oder Rudolf Schlichter, um ihre kritische Haltung zu Krieg, Elend und gesellschaftlichen Verwerfungen unmissverständlich zu äußern. Mit ihren drastischen Werken, die zerstückelte Körper, mit Gewehren in alle Richtung zielende, bereits tote Soldaten oder „glücklich“ Überlebende als Kriegskrüppel und „100 Prozent Erwerbsunfähige“ zeigen, verstanden sie es, den Finger für alle, die dies zu verantworten hatten, sichtbar in die Wunde zu legen. Durch die pointierte inhaltliche Schärfe und das hohe Maß an Präzision in der Schilderung ist die erzielte Wirkung eine unausweichlich-nachhaltige.
Während Ludwig Meidner schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1915 die Berliner Straßen volltrunken, quasi „aus den Fugen“ zeigt, nimmt Elfriede Lohse-Wächtler den ausgemergelten Menschen in seiner alleingelassenen Existenz in den Blick. Die schonungslos ausgelebte Rücksichtslosigkeit des Stärkeren ist Thema im Lustmord Karl Hubbuchs und der viel zu unbekannte Wiesbadener Maler Alois Erbach, der aus seiner engen Künstlerklause heraus durch das Atelierfenster aufmerksam seine Umgebung beobachtet und dem hierbei ein „Licht“ aufgeht, befragt sich selbst sehr eindringlich im Trenchcoat eines Detektivs.
Viele der Künstler in der Sammlung Frank Brabant waren am Beginn ihrer Karriere – angeregt durch die temperamentvolle Malerei Vincent van Goghs – im Fahrwasser des alles mit sich reißenden Expressionismus. Dazu gehörte unter anderem Georg Tappert, der sich um 1910 noch problemlos neben Alexej von Jawlensky präsentieren ließ (Raum 2), ab 1919 sich als Mitbegründer der „Novembergruppe“ in Berlin aber schon der Neuen Sachlichkeit annäherte (Raum 6/8). Ähnlich erging es Karl Hofer (Raum 6), der noch 1909 zur „Neuen Künstlervereinigung München“ gehörte, bevor er ab den 1920er-Jahren einen Mittelweg zwischen impulsiven Farbauftrag und melancholischen Figuren einschlug, die – wie das Hauptwerk Mädchen mit blauer Vase verdeutlicht – allesamt eine höchst plastische Präsenz besitzen. Auch der aus Dresden stammende Conrad Felixmüller, der in seinen Anfängen stark geprägt war von der Kunst der 1905 hier begründeten „Brücke“-Vereinigung, ist mit seinen Werken, die nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, als Vermittler von expressiver und neusachlicher Malerei zu begreifen.
Auf der im Jahr 1925 von dem Direktor der Kunsthalle Mannheim Gustav Friedrich Hartlaub initiierten Ausstellung „Neue Sachlichkeit – Deutsche Malerei seit dem Expressionismus“, die dieser aufkommenden Tendenz ihren sprechenden Namen gab, waren die präsentierten Werke der Künstler/Innen (wie Heinrich Maria Davringhausen, August Wilhelm Dressler, Ulrich Neujahr oder Alice Sommer – Raum 7) klassisch nach Gattungen geordnet: Porträt, Stillleben, Landschaft bzw. Stadtlandschaft.
Von Beckmann bis Jawlenksy.
Die Sammlung Frank Brabant in Schwerin und Wiesbaden
Hg. Dirk Blübaum, Gerhard Graulich, Alexander Klar und Roman Zieglgänsberger
Mit Beiträgen von Gerhard Graulich, Roman Zieglgänsberger, Katharina Uhl, Deborah Bürgel, Sibylle Discher, Moritz Jäger, Vera Klewitz, Kornelia Röder und Rebecca Krämer
304 Seiten
Michael Imhof Verlag 2017
ISBN 978-3-7319-0557-8
29,90,- Euro (Sonderpreis im Museumsshop)