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Eine kleine Geschichte der Färbekunst

WISSEN & FORSCHUNG

Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle

Mit seinen 120 Farbmustern ist das Farboktogon in der Dauerausstellung der Naturhistorischen Sammlungen ein Publikumsmagnet:

Verschiedene Grüns, Blaus, Rots und Gelbs – jeweils 15 Beispiele leuchten aus mit Farbaufstrichen oder gefärbten Stoffen aus einem Vitrinenachtel hervor. Das sind die vier Farben, die das menschliche Auge als reine Farben wahrnimmt. Dazu kommen Erdfarben, wie Ocker oder Umbra. In weiteren Kompartimenten werden besondere Glanzeffekte und Strukturfarben vorgestellt und auch 15 jeweils verschiedene schwarz und weiß Töne haben ihre Schaufläche.  Obwohl die Pigmente, die wasserunlöslichen Farbmittel, in der Ausstellung überwiegen, erzählen die ausgewählten Farbstoffe eine kleine Geschichte der Färbekunst: Angefangen von Safran, dessen Anbau schon in der Antike nachgewiesen, ist bis hin zum Fuchsin, einem der ersten synthetischen Farbstoffe. Die Natur hält im übrigen weit aus mehr Farbstoffe bereit. Das Handbuch der Farbstoffe von Helmut Schweppe behandelt neben den wenigen Tieren gut 200 verschiedene Pflanzen und Pilze.

Während mit Höhlenmalereien der frühe Gebrauch von Pigmenten nachgewiesen ist – die ältesten wurden im indonesischen Sulawesi und in Spanien auf ein Alter von über 40 000 Jahren datiert – fehlten für das Färben solch frühe Hinweise. Naturfasern oder auch Leder sind eben biologisch abbaubar. Doch winzige Faserreste in einem lehmigen Höhlenboden in Georgien brachten 2009 neue Erkenntnisse: Nicht nur konnten Menschen vor 32 000 bis 19 000 Jahren Pflanzen zu Fasern verzwirnen, sie scheinen sie auch gefärbt zu haben. Einige der winzigen Faserreste waren farbig.

Farbstoffe sind im Vergleich zu natürlichen Pigmenten wesentlich schwerer zu gewinnen. Nur sehr wenige, wie etwa der Safran, färben direkt in einer wässrigen Lösung. Die meisten Naturfarbstoffe ziehen erst dann auf eine Textilfaser auf, wenn diese vor dem Färben mit Metallsalzen, wie Aluminium, Eisen oder Kupfer, gebeizt wurden. Dadurch werden diese Beizenfarbstoffe nicht ausgewaschen und auch der Farbton strahlt mehr, wird kräftiger. Ein anderes Färbeverfahren verlangen die Küpenfarbstoffe, wie Indigo und Purpur. Hier muss das wasserunlösliche Naturprodukt aus der Pflanze oder der Schnecke in eine wasserlösliche Form umgewandelt werden.

In einer alkalischen Küpe, etwa aus Urin, zieht der Farbstoff auf das Färbegut auf und anschließend wandelt er sich an der Luft, also durch Oxidation, wieder in eine wasserunlösliche Form um. Liegen die Ursprünge der Färbekunst im Dunkeln, hellt sich das Wissen über die Geschichte der Färbekunst mit der Erforschung der frühen Hochkulturen auf. Von den Ägyptern bis zu den Inkas, sie alle kannten Pflanzen- und auch tierische Farbstoffe. Und es sind diese alten Farbstoffe, die bis zum aufkommen der synthetischen Farben begehrt waren.

Indigo, Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle
Indigo, Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle

Da ist das Indigo aus Indien, das den blauen Farbstoff aus einer der ältesten einheimische Färberpflanze, dem Waid im 17. Jahrhundert, verdrängt hat. Aus Indien kamen auch Rothölzer. Mit der Entdeckung der südamerikanischen Ostküste jedoch wurde in Europa mit dem Rotholz der Fernambukbäume aus Brasilien gefärbt. In der heute mexikanischen Region Oaxaca sahen die Spanier auch wie auf Feigenkakteen Schildläuse gezüchtet wurden und durch Auskochen der getrockneten Läuse ein Farbstoff entstand, der in Europa als Karmin gehandelt wurde.

Safran, Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle
Safran, Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle

Die botanische Heimat des Safrans, eine im Herbst blühenden Krokusart, liegt nach neusten genetische Untersuchungen in der Ägäis. Seit drei Jahrtausenden wird er als Heilmittel, Gewürz- und Färberpflanze kultiviert. Die ältesten schriftlichen Nachweise sind 3000 Jahre alt und sind mit Keilschrift auf Tontafeln geschrieben. Fresken der Minoischen Kultur auf den griechischen Inseln Santorini und Kreta zeigen Safranpflanzen. Im frühen Mittelalter verbreitete sich der Anbau in Zentralasien und rund ums Mittelmeer. Seit dem 9. Jahrhundert ist er in Spanien bekannt. Später gab es Anbauzentren in fast allen europäischen Ländern. Der Name der englischen Stadt Saffron-Walden zeugt vom erfolgreichen Anbau und Handel im England des 16. und 17. Jahrhunderts. Aus Europa nahmen Auswanderer ihn mit nach Amerika. Wer heute Safran kauft, bekommt ihn meistens aus dem Iran. Spanien deckt nur einen kleinen Teil des

Welthandelsaufkommens ab. Während er dann meist als Gewürz mit Farbeffekt im Kochtopf landet und mancher ihn als wohltuenden Tee schätzt, galt er bis zum Aufkommen der synthetischen Farbstoffe als wertvolle Pflanzenfarbe.  Nur die intensiv rotbraunen, rot- bis purpurfarbenen Stempelfäden, auch Narbenäste genannt, enthalten den Farbstoff.  Bis heute werden in Handarbeit die sich nur kurzzeitig öffnenden Blüten einmal im Jahr geerntet, die Fäden verlesen und getrocknet. Für ein Kilogramm getrockneten Safran müssen 120 000 bis 200 000 Blüten gepflückt werden. Der Hauptfarbstoff, das Protocrocin, zerfällt erst durch das Trocknen der Safranfäden einerseits in den kräftigen gelben Farbstoff Crocin und andererseits in den Geschmackstoff Picrocrocin. Im voranschreitenden Verfallsprozess entwickelt sich bei Lagerung ein weiterer typischer Geschmacks- und Geruchstoff, das Safranal. Mit dem Farbstoff kann, als einer der wenigen Direktfarbstoffe, einfach im Wasserbad gefärbt werden.

Gelb, Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle
Gelb, Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle

Wolle bekommt dann einen orangegelben Ton. Im Gegensatz zu dem oben erwähnten Indigo oder auch dem Rotholz war Safran in den Färbebottichen eine Seltenheit und luxuriösen oder gar heiligen Stoffen vorbehalten. Für gelbe Alltagsgewänder gab es Alternativen, wie etwa der aus Westasien und im Mittelmeerraum stammende Färber-Wau. Jungsteinzeitliche Samenfunde lassen im Übrigen vermuten, dass schon vor 8000 Jahren mit Färber-Wau gefärbt wurde.

Cochenille, Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle
Cochenille, Farboktogon im Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle

Das Färben mit Naturfarbstoffen ist eine alte Kulturtechnik, die von einigen engagierten Menschen aufrecht gehalten wird. So haben etwa Herr und Frau Stein aus dem thüringischen Neckeroda für das Museum Wiesbaden Farbmuster auf Woll- und Seidenstoffen gefärbt, die nach einer umfangreichen Überarbeitung wieder neu erstrahlen können.  Zurzeit zeigen die Ausstellungsstücke jedoch eindrücklich die Unterschiede zwischen farbechten und nicht farbechten Farbmitteln. Vergleicht man etwa den immer noch sehr leuchtenden Stoff der Cochenillefärbung mit der Rotholzfärbung wird verständlich, warum dieser Läusefarbstoff in Europa so begehrt war.

Mit der Entdeckung der synthetischen Farbstoffe 1857 wurde die Welt der Farbstoffe mit den dazugehörigen Produktionsgebieten, Handelswegen und Färbereibetrieben auf den Kopf gestellt. Dabei spielt die Main-Region eine gewichtige Rolle.

Parafuchsin, aus der Ausstellung „Rot, Weiß, Blau - Farbgeschichten aus Hessen“, 2019.Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Parafuchsin, aus der Ausstellung „Rot, Weiß, Blau - Farbgeschichten aus Hessen“, 2019.Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Um 1900 lagen fünf der elf wichtigsten Orte der deutschen Farbenchemie am hessischen Main: Biebrich, Höchst, Frankfurt, Offenbach und Mühlheim. Pioniere in Sachen Teerfarbstoffe starteten an diesen Orten zwischen den Jahren 1856 und 1879 mit kleinen Betrieben und wenigen Arbeitern.  Alle Firmen stiegen mit der Produktion des 1858 entdeckten Fuchsins in das Geschäft ein.  Um 1867 lag die Zahl der synthetischen Farbstoffe bei über 500 und im Jahr 1914 bei 1400 Varianten.

 

Fuchsin wird zwar heute noch produziert und im Farboktogon ist eine Probe zu sehen, aber als eine krebserregende Substanz färbt sie sonst nur in Laboratorien  von  Gewebeprobe an. Vom Main sind die Farbstoffproduktionen und auch die Färbebetriebe längst in andere Länder verlagert worden. Unter ökologischen Gesichtspunkten haben Färbebetriebe einen schweren Stand. Sie brauchen viel Wasser und Wärmeenergie und sie hantieren teilweise mit gesundheits- und umweltbelastenden Stoffen. Gesetze regeln die Grenzen der Belastungen. Seit 1992 gibt es mit Öko-Tex Standard 100 ein unabhängiges Prüfsystem. Nach diesem Standard färbt im südhessischen Hirschhorn einer der letzten deutschen Färberbetriebe Wolle, Garne und Bänder. Aber ohne Naturfarbstoffe, sie fordern einen zu hohen Wasserverbrauch.

Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

 

Dipl. Biol. Susanne Kridlo
Kuratorin Naturwissenschaft

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