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Jubiläum mit Geschenken

Alles! 100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden

Ausstellungsansicht. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Geschenke, Geschenke, Geschenke!

Eine Jubiläumsausstellung wie Alles! 100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden hat einen wunderbaren Nebeneffekt — sie setzt Kräfte frei aus allen für ein Museum entscheidenden Bereichen:

In wissenschaftlicher, gedanklicher wie mäzenatischer Hinsicht — um einem für die Stadt derart bedeutenden Ereignis wie Jawlenskys Ankunft im Juni 1921 am Hauptbahnhof in Wiesbaden ein würdiges Momentum im Hier und Jetzt zu bescheren. Es wurde ein gewichtiger Bestandskatalog vorgelegt, der Jawlensky-Pfad durch die Stadt ausgesonnen und wir wurden reich beschenkt. Zuletzt vor einer Woche, doch dazu später, weil hier die Chronologie, wie die uns so großzügig überlassenen Arbeiten erreichten, eins nach dem anderen eingehalten werden soll.

Es begann mit...

Oskar Moll, Stillleben mit kleiner Matisse Plastik, 1917 Museum Wiesbaden, Schenkung Roman Rubin. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Oskar Moll, Stillleben mit kleiner Matisse Plastik, 1917 Museum Wiesbaden, Schenkung Roman Rubin. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

... einem Hauptwerk von Oskar Moll, dem großartigen Stillleben mit kleiner Matisse-Plastik, das ehemals bis zur Beschlagnahmung 1937 durch die Nationalsozialisten im Bestand des Städel Museums gewesen ist. Vor ziemlich genau zwei Jahren kündigte Dr. Roman Rubin, ein Wiesbadener Sammler, an, dass er dem Museum besagtes Gemälde 2021 überlassen möchte. Die Erstpräsentation als ein Bild des Museums
Wiesbaden in unserer Jawlensky-Ausstellung wurde vereinbart und macht insofern Sinn, weil Oskar Moll mit vielen anderen deutschen Künstler:innen 1908 in Paris die Académie Matisse gegründet hatte und auch Jawlensky, wie seine Malerei zeigt, viel Kontakt mit dem berühmten Fauvisten hatte — erstmals vermutlich bereits 1905 und 1906, als er zweimal nacheinander im Pariser Herbstsalon im Grand Palais ausstellte.

Jawlensky im Doppelpack

Andreas Jawlensky, Bildnis Hans Baur, 1922
Andreas Jawlensky, Bildnis Hans Baur, 1922
Alexej von Jawlensky, Vase und kleine Figur davor, 1928. Fotos: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Alexej von Jawlensky, Vase und kleine Figur davor, 1928. Fotos: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Angelica Jawlensky Bianconi, die Enkelin des Künstlers, hat an der feierlichen Ausstellungseröffnung nicht nur angekündigt, unserem Museum das von ihr in der Schweiz geleitete Jawlensky-Archiv in den nächsten vier Jahren zu übergeben, wodurch im Museum Wiesbaden das Forschungsarchiv Alexej von Jawlensky entsteht, sondern hat uns im Vorfeld auch ein Werk ihres Vaters und eines ihres Großvaters überlassen.

Das neusachliche Porträt Hans Baur von Andreas Jawlensky aus dem Jahr 1922 ist eines der wenigen erhaltenen Vorkriegsarbeiten des Künstlers, da der Großteil seines Frühwerks am 2. Februar 1945 beim Bombenangriff auf Wiesbaden in der Beethovenstraße 9 zerstört worden ist. Das liebreizende kleine Aquarell von Alexej von Jawlensky, das dieser auf einen Postkartengruß an Tony Kirchhoff, die Frau des Sammlers Heinrich Kirchhoff, malte, wirkt ausgesprochen russisch, da man bei dem Motiv unweigerlich an Matroschka-Figuren denken muss.

Wahre Verbundenheit

Alexej von Jawlensky, Bildnis Lisa Kümmel (Detail), 1927 Museum Wiesbaden, Schenkung aus Privatbesitz. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Alexej von Jawlensky, Bildnis Lisa Kümmel (Detail), 1927 Museum Wiesbaden, Schenkung aus Privatbesitz. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Von der Förderin Tony Kirchhoff, die so mutig war, den inzwischen als „entartet“ gebrandmarkten Jawlensky noch 1936 im Märkischen Museum Witten auszustellen, ist der Weg zu Lisa Kümmel ein kurzer. Ein Ehepaar aus dem Taunus, das unserem Haus seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden ist, und unsere museale Arbeit aufmerksam begleitet, schenkte uns kurz vor Redaktionsschluss des Bestandskatalogs eine bezaubernde Porträtszeichnung von Lisa Kümmel, die Jawlensky wohl kurz nach ihrem Kennenlernen im Jahre 1927 angefertigt hat.

Kümmel wurde später nicht nur zur Organisatorin seiner Ateliergeschäfte, sondern sie war es auch, der der Künstler 1936/37 seine viel zitierten Lebenserinnerungen diktierte.

Briefe von Jawlensky

Dass in Wiesbaden tatsächlich ein bedeutendes Forschungsarchiv zu Alexej von Jawlensky entstehen kann, liegt auch an der wichtigen Schenkung eines umfangreichen Briefkonvoluts. Marian Stein-Steinfeld, Enkelin von Hanna Bekker vom Rath und Leiterin des Hanna Bekker Archivs in Frankfurt, überließ uns vierzig Briefe Jawlenskys an ihre Großmutter, die zwischen 1926/27 und 1940 verfasst wurden. Dabei handelt es sich um ein großes Zeugnis einer warmherzigen über viele Jahre bestehenden Freundschaft zwischen Künstler und Förderin. Stein-Steinfeld hat diese Beziehung unter besonderer Berücksichtigung dieses Briefwechsels in unserem Katalog einfühlsam behandelt und aufgearbeitet. Einer der aufschlussreichsten Stellen in dem Konvolut ist der kurze Bericht des Besuchs von Ernö Kállai: „Es war bei mir Herr Kallei“, schreibt Jawlensky am 15. November 1932 an Hanna Bekker, „ein Ungar, Kunstschriftsteller, Feinfühlender, weiss viel. Hat über meine Köpfe gesagt: sehr schön, sie sind ein geborener Kolorist! Nein. Es ist zu wenig. Ich bin ein religiöser Mensch. Meine Kunst ist ein Gebet. Ikona. Ich denke, ich denke über Kunst.“

Eine hoffnungsfrohe Hommage

Das letzte Geschenk erreichte uns vor zehn Tagen – und letztlich war es diese neuerliche Überraschung von Angelica Jawlensky Bianconi, die zur Idee und zu diesem Blog-Beitrag führte. Nicht nur, dass die Sammlung beständig weiterwächst, möchte man mitteilen, sondern auch und vor allem möchten wir laut DANKE sagen an all die Förder:innen unseres Museums. Aber um was handelt es sich denn bei diesem letzten Kleinod, das seit einer Woche in der Vitrine im ersten Raum der Ausstellung präsentiert wird und das, so scheint es, nur Sinn in unserem Museum macht?

Oskar Schlemmer, In memoriam Alexej v. Jawlensky, 1941 Museum Wiesbaden, Schenkung Angelica Jawlensky Bianconi. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Oskar Schlemmer, In memoriam Alexej v. Jawlensky, 1941 Museum Wiesbaden, Schenkung Angelica Jawlensky Bianconi. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Oskar Schlemmer, mit dem Jawlensky tatsächlich nur wenig Kontakt hatte, malte, als er von seinem Tod 1941 hörte, spontan die Postkarte In memoriam Alexej v. Jawlensky und schickte sie dem Freund Dieter Keller an die Ostfront nach Russland. Sowohl der lockere Pinselduktus als auch die Farbintensität erinnert an den soeben verstorbenen russischen Künstler. Damit wurde die traurige Erinnerung zu einer hoffnungsfrohen Hommage.

Noch mehr Jawlensky gefällig?

Das Museum Wiesbaden feiert die Sammlungsgeschichte eines der bedeutensten Söhne der Stadt mit der großen Jubiläumsausstellung Alles! 100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden.

Einen Blick in die Ausstellung erhalten Sie hier!

Jawlensky Pfad
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Hier finden Sie das Begleitprogramm zur Ausstellung, sobald es im Veranstaltungskalender veröffentlich wurde.

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