Die Zeichentechnik, die die Werkserie nach dem imaginären Gedächtnis prägt, hat er in jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Medium der Zeichnung entwickelt.
Slawomir Elsner hat in jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Medium der Zeichnung eine Technik entwickelt, die die Besonderheit der aktuellen Farbstiftzeichnungen, der sogenannten Serie nach dem imaginären Gedächtnis ausmacht. In den Zeichnungen überträgt er Meisterwerke alter und neuer Meister in Originalgröße mit scharfen und präzisen Linien. Strich für Strich entstehen immer dichtere Farbgeflechte, die sich übereinanderlegen und verschwommene Erinnerungsräume erzeugen, die den Bezug zu den bekannten Bildern des kulturellen Gedächtnisses bisweilen nur noch durch den Titel offenbaren.
Er verwandelt die Motive in abstrakte Farbenmeere, in denen Gegenständlichkeit und Erzählung der malerischen Vorlagen an Bedeutung verlieren. Was bleibt ist ein Eindruck auf abstrakter Ebene von Farben, Formen und Eindruck von Größe und Erhabenheit, Intimität oder Stille, der unsere Erinnerung beim Schauen aktiviert. Elsner befragt und untersucht mit Hilfe seiner außergewöhnlichen Zeichentechnik demnach genuin malerische Qualitäten — Manipulationen der Wahrnehmung und der Erinnerung an Gedächtnisbilder der Betrachtenden sind dabei nicht ausgeschlossen.
So präsentiert der Künstler in der Ausstellung eine zweite Fassung des Mädchens mit dem Perlenohrring von Jan Vermeer: Ein Blatt richtet sich in Komposition und Farbgebung nach dem Original (Abb. 1), im anderen Blatt hingegen zeigt Elsner die vermeintlich selbe Person en face (Abb. 2). Die Erinnerung an das Bild des Mädchens wird aufgerufen und es werden Grundfragen angestoßen, wie etwa: Was erinnern wir? Was löst die Erinnerung in uns aus?
In seinen Zeichnungen variieren Abstraktionsgrad und der Eindruck der Unschärfe je nach motivischer Vorlage. Zum Teil löst sich jegliche motivische Rückanbindung im Farbengeflecht auf, sodass unsere Erinnerung mal mehr, mal weniger gefordert ist.
Für die Ausstellung im Museum Wiesbaden hat Slawomir Elsner eigens Werke angefertigt, die sich auf die Sammlung des Hauses beziehen. In einer Reihe mit einer Zeichnung nach Jawlenskys Spanierin und seinem Tänzer Alexander Sacharoff hängt das Porträt einer bekannten Dame. Anders als die Werke nach Jawlensky geht die Zeichnung auf eine Fotografie zurück und erscheint uns in der Gegenüberstellung mit den anderen unscharfen Abbildern wie aus einer anderen Zeit. Es wird die Frage aufgeworfen: Was gibt uns Grund zur Annahme, diesen anderen zeitlichen Kontext wahrzunehmen? Elsner stößt mit diesen Blättern eine Reflexion über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Gattungen der Zeichnung, Malerei und Fotografie an.
Die Werkserie Just Watercolors verfolgt Slawomir Elsner seit 2015. Für die Ausstellung sind seine bislang größten Aquarelle entstanden, die eine Höhe von 2,20 m aufweisen. In der Arbeit Just Watercolors (081) hat der Künstler ein auffällig grün leuchtendes und lichtbeständiges Pigment ausgewählt. Das Schweinfurtergrün ist 1805 erstmals als ein Arsenpigment hergestellt worden und ist heute verboten.
Bei den Aquarellen beginnt der Malprozess mit dem Anfeuchten der schweren, aufgespannten Büttenpapiere. Mit einem breiten Flachpinsel werden in jeweils um einige Zentimeter versetzte Schichten aus wässriger Aquarellfarbe von einer Bildseite ausgehend gleichmäßig auf das Blatt aufgetragen. Dieses lasierende Verfahren lässt die verdünnte und damit schwach pigmentierte Farbe mit jeder weiteren Schicht auf dem immer wieder angefeuchteten Papier kräftiger werden, bis sie nach zuweilen mehr als hundert Schichten eine intensive Sättigung und tiefe Farbdichte erreicht. Charakteristisch ist die Leuchtkraft der Arbeiten, die zustande kommt, wenn das Licht durch die Oberfläche des Papiers dringt und die Pigmentpartikel von unten zum Leuchten bringt. In vielen Aquarellen arbeitet Elsner mit der Schichtung einzelner Lagen und ihren Trocknungsrändern.
Diese Malweise fordert eine ganz andere Art der Konzentration und Präzision, die Elsner beim täglichen Auftragen einer neuen Schicht auf das liegende Aquarellpapier bereits zum alltäglichen Ritual erhoben hat. Trotz ihrer Präzision zeigen die Blätter im Detail eine individuelle Handschrift, die Lust am Experiment und künstlerische Lebendigkeit bezeugt.
Hier finden Sie das Begleitprogramm zur Ausstellung, sobald es im Veranstaltungskalender veröffentlich wurde.