5 Nov 21 — 6 Mär 22
Akribische Buntstiftzeichnung, großformatige Aquarelle — das Werk von Slawomir Elsner (geb. 1976) ist so ungewöhnlich wie vielseitig. Das Museum Wiesbaden präsentiert die erste umfassende museale Einzelausstellung dieses Künstlers, der an der Kunsthochschule Kassel studierte (Meisterschüler von Norbert Radermacher) und heute in Berlin lebt.
In seinen Buntstiftzeichnungen überträgt Elsner malerische Aspekte Alter Meister in das Medium der Zeichnung. Strich für Strich nähert er sich den historischen Gemälden an, indem er kurze Linien zu immer dichteren Farbgeflechten übereinanderlegt. In der Werkserie abstrakter Aquarelle erschafft er durch unzählige monochrome oder mehrfarbige Schichten luminöse Farbräume.
Die Ausstellung ehrt Slawomir Elsner als Träger des Otto-Ritschl-Preises 2020.
Sie gibt erstmals einen Überblick über die entscheidenden Wegmarken des Künstlers, wobei im Zentrum seine aktuellen Arbeiten stehen.
Slawomir Elsner begrüßt Sie herzlich im Museum Wiesbaden und gibt einen Einblick in die Ausstellung. Erfahren Sie mehr über seine Werke und seinen Schaffensprozess!
Mit präzisen Linien entstehen dichte Farbgeflechte und zugleich verschwommene Erinnerungsräume, die den Bezug zu den bekannten Bildern des kulturellen Gedächtnisses bisweilen nur noch durch den Titel offenbaren. In seinen Zeichnungen treten mit Farbe und Lichtregie somit zwei grundlegende künstlerische Gestaltungsmittel der Malerei hervor. Die Gegenständlichkeit und Erzählung der malerischen Bildmotive verlieren in der künstlerischen Auseinandersetzung an Bedeutung. Elsner befragt und untersucht mit Hilfe seiner außergewöhnlichen Zeichentechnik demnach genuin malerische Qualitäten — Manipulationen der Wahrnehmung und der Erinnerung an Gedächtnisbilder der Betrachtenden sind dabei nicht ausgeschlossen. So präsentiert er in der Ausstellung zwei Neufassungen des Mädchens mit dem Perlenohrring von Jan Vermeer: Ein Blatt richtet sich in Komposition und Farbgebung nach dem Original, im anderen Blatt hingegen zeigt Elsner die vermeintlich selbe Person en face. Die Erinnerung an das Bild des Mädchens wird aufgerufen und es werden Grundfragen angestoßen, wie etwa: Was erinnern wir? Was löst die Erinnerung in uns aus?
Die Serie Windows On The World (2008—2010) ist nach privaten Fotografien aus der gleichnamigen Bar der 107. Etage des World Trade Centers in New York entstanden.
Elsner übertrug hier in gestrichelten Farbverläufen seine Fotografien in große Zeichnungen (168 x 110 cm). Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist das World Trade Center stark mit den Bildern der einstürzenden Türme in Folge des Attentats im kollektiven Gedächtnis verknüpft. Elsner stellt dieser kollektiven Erinnerung an die ikonisch gewordenen Schreckensbilder sein eigenes Abbild der Wirklichkeit im Medium der Zeichnung gegenüber. Es entsteht ein produktiver Dialog zwischen Fotografie und Zeichnung und den Gegensätzen von individueller Erinnerung und kollektivem Gedächtnis.
In den ungegenständlichen Aquarellen mit dem Titel Just Watercolors trägt er unzählige monochrome Farbschichten auf außergewöhnliche Großformate auf, die sich zu faszinierenden Farbräumen hin öffnen oder verdichten. Im Gegensatz zu den kontrollierten Buntstiftzeichnungen überlässt er hierbei die Interaktion von Farbmaterial und Papier dem Zufall und steuert lediglich das Verhältnis von Wasser und Farbe und den zeitlichen Abstand der einzelnen Schichten, wie in den Lagenaquarellen. Im Ergebnis rückt auch diese Werkserie die Frage nach Farbräumen eindringlich in den Mittelpunkt. Trotz offensichtlicher Unterschiedlichkeit in Sujet und Technik, basieren die Aquarelle und Zeichnungen auf dem gleichen künstlerischen Prinzip: der Lichtquelle(n), die im Bild eingewoben, dieses von innen heraus zum Leuchten bringen. In der Ausstellung werden sie daher in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Buntstiftzeichnungen präsentiert.
Zur Ausstellung ist ein begleitender Katalog im DCV Verlag mit Installationsansichten der Schau und Beitragen von den Kuratoren Dr. Andreas Henning und Lea Schäfer sowie Dr. Anne-Marie Bonnet und Dr. Nils Ohlsen erschienen (ISBN 978-3-96912-061-3, Dt./En.).
Der Katalog ist im Museumsshop erhältlich.
Für alle Kinder gibt es am Sa, 12 Feb 2022, von 15:00 bis 17 Uhr einen ganz besonderen Zeichenkurs — nämlich gemeinsam mit unserem Künstler. Er erklärt seine Technik mit den vielen farbigen Strichen und dann könnt Ihr mit Farbstiften ein eigenes Werk zeichnen.
Hören Sie hier die Frühkritik über Slawomir Elsner vom 16 Nov 2021 auf hr2 kultur mit Stefanie Blumenbecker.
Viel Spaß beim Hören!
Hören Sie sich schon vor dem Besuch der Ausstellung unsere Audio Tour an. Oder schlendern Sie mit allen spannenden Informationen zu Slawomir Elsners Werk im Ohr durch die Ausstellung.
Unsere kostenlose Museums App können Sie direkt im Google Play Store oder im App Store downloaden.
Pädagogische Gruppen haben bei uns freien Eintritt (inklusive zwei Begleitpersonen).
KONTAKT UND ANMELDUNG
Gruppen ohne Buchung bitten wir ebenfalls um eine vorherige Anmeldung.
Telefon: 0611 335 2185 oder edu@museum-wiesbaden.de
Bildgedächtnis, Erinnerung, Wirklichkeit?
Sekundarstufe II, Kunst LK
Mit seinen vielgestaltigen Bildstrategien deckt Slawomir Elsner visuelle Codes von Bildern, ihre Wirkstrukturen sowie ihre Gebrauchsweisen auf. Indem er Bildwerke berühmter Künstler aus den Gemäldesammlungen des Museum Wiesbaden motivisch aufgreift, und sie mit Mitteln des Farbstifts weichzeichnet oder durch eine andere Perspektive einen Verfremdungseffekt bewirkt, mutieren seine Bilder zu verschwommenen Erinnerungsräumen, die unser Bildgedächtnis auf die Probe stellen.
Mittels Fragen- und Wortkarten und Dialog bieten wir hier Zugänge zum Werk des zeitgenössischen Künstlers an. Hier geht es um das Verstehen von der Subjektivität des Erinnerns, Wahrnehmung der Wirklichkeit und wie die Wahl der bildnerischen Mittel wiederum zu künstlerischen Fragestellungen in Bezug auf Zeichnung und Malerei führt.
Das Bild kenn‘ ich doch!
ab Grundschule bis Mittelstufe
Während eines Rundgangs durch die Ausstellung werden jene Werke des Künstlers Slawomir Elsners identifiziert, die sich auf ganz bestimmte Bilder aus den Sammlungen des Hauses beziehen und diese verändert wiedergeben. Welche Materialien hat der Künstler benutzt? In welcher Weise hat er das ursprüngliche Bildmotiv verändert? Mit einem Gang zu den Ausgangswerken, die der Künstler verfremdet hat, können diese und weitere Fragen beantwortet werden. Zudem werden auch die Werksreihen der „windows oft he world“ wie auch die großen Aquarelle gemeinsam betrachtet und analysiert.
Vom Handyfoto zum eigenen Farbstiftbild — eine Transformation
ab Klasse 7 bis Oberstufe
Die SuS wählen IHR Bildmotiv, sei es ein Werk aus den Sammlungen des Museums, oder eines aus der Bilddatei auf ihrem Smartphone und übersetzen es in eine Farbstiftzeichnung, bei der sie Bildgröße, Grad der Unschärfe, Perspektive und Farbgebung selbst bestimmen. Übungen zu Strichtechniken, die Farbübergänge ermöglichen, werden vorher erprobt!
Mein Lieblingsbild — weich gezeichnet!
ab Klasse 4 bis Klasse 7
Nach einem Rundgang durch die Ausstellung „Präzision und Unschärfe“ suchen sich die Schülerinnen und Schüler aus unseren Gemäldesammlungen ihr Lieblingswerk aus, skizzieren es und versuchen mit Wachsölkreiden auf Pappe eine eigene Weichzeichnung des Ausgangsbildes zu erproben. Übungen zu Strichtechniken, die Farbübergänge ermöglichen, gehören zum Programm!
Fließen lassen — trocknen — Fließen lassen
ab Klasse 9/10 WP Kunst und Sek II
Analog zu den großen Lagenaquarellen von Slawomir Elsner, sind Schülerinnen und Schüler eingeladen mittels den Möglichkeiten der Aquarelltechnik eigene abstrakte Flächenbilder zu erproben — mit richtigen Aquarellfarben, Aquarellpinseln und Aquarellpapieren! Je nach Trocknungsgrad oder Nass in Nass, lassen sich spannende Effekte erzielen, bei denen der Zufall in die Hände spielen kann.
Hier finden Sie das Begleitprogramm zur Ausstellung, sobald es im Veranstaltungskalender veröffentlich wurde.