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Gewinnerinnen des Merian Preises 2025

18 Nov 2025

Dioramen zu Maria Sibylla Merians Zeichnungen

Der Maria Sibylla Merian Preis

Das Museum Wiesbaden vergibt in diesem Jahr erstmalig den Maria Sibylla Merian-Preis für eine angehende Künstlerin und eine angehende Naturwissenschaftlerin. Noch immer sind Frauen in gehobenen Positionen in den Wissenschaften unterrepräsentiert. Die Vergabe des Merian-Preises soll dazu beitragen, diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken. Gemeinsam ausgelobt von der Alfred-Weigle-Stiftung und dem Museum kürte eine Jury von Expertinnen und Vertretern des Museums und der Alfred-Weigle-Stiftung die Preisträgerinnen.

Weitere Informationen zum Merian Preis finden Sie hier.

Preisträgerin im Bereich der Naturwissenschaft

In den Naturwissenschaften wurde am Juline Rodrigues da Conceição aus Brasilien mit ihrem Projekt „The Weaving of the Invisible“ feierlich ausgezeichnet. Sie arbeitet wissenschaftlich über die Welt der Mikroalgen und ihre Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht aquatischer Lebensräume. In ihrem geförderten Buchprojekt wird sie dieses Wissen allgemeinverständlich aufarbeiten und um die Naturgeschichte der Illustration erweitern.

Inspiriert wurde Rodrigues dabei durch die Arbeit von Maria Sibylla Merian. Wie Merian auch versucht sie über die Illustration nicht nur einen wissenschaftlich fundierten Zugang zu dem verborgenen Leben der Mikroalgen herzustellen, sondern durch deren Schönheit und Ästhetik positive Emotionen für das Thema zu wecken. Eine besondere Rolle hierfür spielt der Umstand, dass Mikroalgen für Menschen mit bloßem Auge nicht sichtbar sind. Unter dem Mikroskop allerdings lässt sich ihre Formvielfalt erkunden.

© Juline Rodrigues da Conceição
© Juline Rodrigues da Conceição
Mikroskopfotos von Mikroalgen © Juline Rodrigues da Conceição
Mikroskopfotos von Mikroalgen © Juline Rodrigues da Conceição
© Juline Rodrigues da Conceição
© Juline Rodrigues da Conceição

Für ihr Buch wird Rodrigues nicht nur in Wiesbaden die Sammlung Maria Sibylla Merians studieren, sondern auch die Sammlung von Christian Gottfried Ehrenberg in Berlin besuchen, der als Freund Alexander von Humboldts im 19. Jahrhundert neben seinen Forschungsreisen bahnbrechende Erkenntnisse über Mikrolebewesen gewann. Zusammen mit ihren eigenen wissenschaftlichen Arbeiten ergibt sich so eine Vierteilung des Buches. Im ersten Teil wird es um die Geschichte der Illustration und Naturgeschichte der Mikroalgen und ihrer Lebenswelten gehen. Im zweiten Teil stellt die Forscherin ihre Arbeit anhand von Mikroskopfotos vor und erläutert, wie diese dabei helfen, die Artenvielfalt der Mikroalgen zu verstehen und welche Rückschlüsse sich dadurch auf die Veränderungen der Welt ziehen lassen. Der dritte Teil widmet sich visuellen Aufarbeitung großer wissenschaftlicher Datenmengen, die dann dazu beitragen, ein breiteres Verständnis für die Bedeutung der Mikroalgen in Ökosystemen zu schaffen. Diese drei Teile münden dann am Ende des Buches in einer Synthese eines großen, allgemeinverständlichen Modells. In ihrer Laudatio lobt Prof. Susanne Foitzik: „Durch Blogs, Outreach-Aktivitäten und öffentliche Vorträge vermittelt Juline Rodrigues biologische Inhalte klar, sachlich und verständlich und trägt so zu einer breiteren Wahrnehmung wissenschaftlicher Themen bei.“

Mit ihrem Projekt folgt Rodrigues den Spuren Maria Sibylla Merians: ausgehend von ihren eigenen Beobachtungen folgen Beschreibungen und anschließend eine wissenschaftliche Interpretation bzw. Verallgemeinerung. Merian war mit dieser Vorgehensweise ihrer Zeit voraus und setzte Maßstäbe für kommende Wissenschaftsgenerationen. Die Jury ist überzeugt, dass Juline Rodrigues‘ Projekt Merians Wirken fortschreibt. "Wir freuen uns darüber, nicht nur eine herausragende wissenschaftliche Arbeit auszuzeichnen, sondern auch ein Buchprojekt, das den Wissenstransfer in die Gesellschaft durch allgemein verständliche Texte und Illustrationen versucht. Dies war auch Maria Sibylla Merian sehr wichtig und ist maßgeblich für Merians heutige Bedeutung!", ergänzt Hannes Lerp, Leiter der Naturhistorischen Sammlungen.

Preisträgerin im Bereich der Kunst

© Seongbin Ma
© Seongbin Ma

Für den Bereich der Kunst wird Seongbin Ma, Studentin der Städelschule, ausgezeichnet. Ihr Projekt widmet sich Stadtspaziergängen, die sie mittels Fotografie und Zeichnung dokumentiert und mit begleitenden Texten tagebuchartig gliedert. 

Das Zeichnen ist ihr dabei noch wichtiger als die Fotografie, da es zum Sehen und damit zum Verstehen anleitet. Zwar soll zu allen Jahreszeiten spaziert werden, besonders angetan hat es ihr aber der Winter: eher dunkel und nass bietet in Ritzen, Mauerecken und den Rändern des Asphalts kleine Fundstücke, Moos, das sich das Bisschen Feuchtigkeit auch im Winter aus der Umgebung zieht. Moos, das Seongbin Ma aber auch erinnert an die eigene Jugend in einer ländlichen Umgebung Südkoreas, an den Geruch des Mooses, der Pflanzen, der Natur. 

In Erinnerung daran, beginnt sie in Deutschland mit den Streifzügen, den Spaziergängen durch die Stadt, auf der unbestimmten Suche, nach den kleinen, den unscheinbaren Dingen. Sie erforscht das Moos im Atelier unter dem Mikroskop, fertig dort feinste Zeichnungen an. Sie fokussiert das Moos als Miniaturwelt, um zu zeigen, dass „man sich so klein wie möglich machen und die Augen ganz nah heranbringen“ muss, um die ansonsten verborgene Lebewesen sehen zu können. Im Geiste Maria Sibylla Merians dient das Zeichnen auch ihr neben dem Verstehen, auch dem Vermitteln sonst ungesehener Strukturen und Zusammenhänge.

Seongbin Ma, Untitled (Bitterfeld-Wolfen), 2024 Lithographie, 297 mm x 420
Seongbin Ma, Untitled (Bitterfeld-Wolfen), 2024 Lithographie, 297 mm x 420
Seongbin Ma, Zeichnungen von Moosen
Seongbin Ma, Zeichnungen von Moosen

Bereits im vergangenen Jahr thematisierte sie mit Fotografien und Lithografien die zähen Versuche der Natur, industriell belastete Böden (hier Filmfabrik Bitterfeld-Wolfen) zurückzuerobern. In ähnlicher Weise will nun das geplante Projekt die Verhältnisse zwischen Asphalt, Mauern und den dazwischen nistenden Kräften der Natur beobachten und neu aushandeln.

„Letztlich soll die Publikation über ein persönliches Tagebuch hinausgehen und ein künstlerisch-kritisches Archiv darstellen, das die multispezifische Koexistenz im urbanen Ökosystem sichtbar macht und die Beziehung zwischen Stadt und Natur aus neuen sinnlichen und theoretischen Perspektiven lesbar werden lässt.“ (Seongbin Ma)

Geplant ist, die Publikationen der beiden Preisträgerinnen im Rahmen der nächsten Preisverleihung im Jahr 2027 vorzustellen.

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