Der Weg ins Museum als Arbeitsstelle führt in der Regel über ein Volontariat. So wird die ca. zweijährige Zeit bezeichnet, die nach Abschluss eines Studiums als berufliche Qualifizierungsphase zu durchlaufen ist und für das Berufsfeld spezifische Kenntnisse vermitteln soll.
Als wissenschaftliche Volontärin ist Yvonne Finzler seit Juli 2022 in der Digital Unit des Museums Wiesbaden angestellt. Hier ist die Ethnologin seither in alle Aufgaben, die im Bereich Digitalisierung und Datenmanagement im Museum anfallen, eingebunden. Und das bedeutet ein vielfältiges Aufgabenspektrum. Einen Einblick in ihre Erfahrungen gewährt die Volontärin in diesem Blogbeitrag:
Vielleicht fragen Sie sich, wie eine Ethnologin in die Digital Unit kommt? Die Verbindung liegt zum einen im Thema meiner Masterarbeit, in der ich mich mit Praxen der Digitalisierung und Mensch—Computer—Interaktion beschäftigte, die ich mit den Methoden der qualitativen Sozialforschung, wie sie im Fach Ethnologie angewendet werden, untersucht habe. Zum anderen ist meine Motivation, einen Beitrag zur Schaffung von Transparenz und Zugang zu musealen Sammlungen zu leisten. Digitalisierung ist dafür ein wichtiges Instrument.
Die Aufgabe „meiner“ Abteilung Digital Unit, wie sie mein Kollege Dr. Eric Walliser in diesem Blog vor kurzem unterhaltsam beschrieben hat, ist im Museumsbetrieb eine Querschnittsaufgabe. Sie berührt alle Bereiche des Museums und fördert auch nach innen die Transparenz und Zugänglichkeit. Durch diese Einbettung der Abteilung lerne ich einerseits, wie die Räder in einem Museum ineinandergreifen und gleichzeitig macht es die tägliche Arbeit sehr abwechslungsreich. Zur Anschauung schildere ich Projekte, in die ich eingebunden bin.
Ein wichtiges Projekt aus dem Bereich der Kunstsammlungen ist die Digitalisierung der Grafiksammlung. Mit Kolleg:innen aus unterschiedlichen Bereichen des Museums heißt es, die “Arbeiten auf Papier” digital zu erfassen. Zwar sind die Werke zu einem überwiegenden Teil bereits in der Sammlungsdatenbank erfasst, nun müssen sie jedoch eingescannt werden und die Scans den Datensätzen hinzugefügt werden.
Von Seiten der Digital Unit bin ich in diesem Projekt so eingebunden, dass ich als eine Art Klammer für das heterogene Projektteam agiere: Kuratoren der Kunstsammlungen, Papierrestauratorin, Depotverwalter und Fotograf:innen tragen gemeinsam dazu bei, damit am Ende alle grafischen Werke in der Sammlungsdatenbank digital erfasst und zugänglich sind. Ist dieses Projekt einmal abgeschlossen, wird es zum Beispiel möglich sein, die grafische Sammlung einem breiten Publikum digital zu präsentieren. Denn dafür ist die Digitalisierung von Museumsbeständen besonders vorteilhaft: Sammlungen, die nicht immer im Fokus stehen, zu der Öffentlichkeit zu verhelfen, die ihnen genauso gebührt wie den “Berühmtheiten” unter den Sammlungsobjekten. Im Übrigen gehört es zu den Aufgaben eines Landesmuseums, die Sammlungsbestände für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Auch schon vor Abschluss des Projekts können Sie als Ergebnis immer mehr grafische Werke in der Online Collection entdecken.
Besonders bewegt mich als Ethnologin die Mitarbeit an der digitalen Erfassung und Datenpflege in der ethnologischen Sammlung, die zu den Naturhistorischen Sammlungen des Museums gehört. Die Informationen werden über die Sammlungspflege hinaus, soweit einschlägig, für die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) bereitgestellt, die eine zentrale Anlauf— und Kontaktstelle für Herkunftsgesellschaften im Rahmen der sogenannten 3—Wege—Strategie ist. Lesen Sie dazu auch den Blogartikel meines Kollegen Dr. Andy Reymann.
Digitale Angebote wie Rundgänge, die über die Museums—App angeboten werden, und die Sie vielleicht bereits genutzt haben, werden von der Digital Unit erstellt. Regelmäßig befasse ich mich auch mit dieser Aufgabe. Die Inhalte liefern uns die Kurator:innen der jeweiligen Sonder- oder Dauerausstellung. Alle Informationen pflegen meine Kolleg:innen und ich über ein Content Management System ein, so dass die einzelnen Stationen mit Bild, Text und meistens auch mit einer Audiodatei versehen sind. Auf die Urheberangaben und Bildrechte muss geachtet werden, genauso wie auf ein korrektes Impressum.
Um diese Ausstellungsrundgänge und Vertiefungsebenen nutzen zu können, steht die MuWi—App kostenlos zum Download aufs Smartphone zur Verfügung. Um Fragen von Nutzenden rund um diesen Mediaguide zu beantworten, seine Möglichkeiten zu vermitteln und beim Download zu helfen, gehört es auch zu unserem Selbstverständnis, vor Ort ansprechbar zu sein. Deshalb sind meine Kolleg:innen und ich regelmäßig mit einem Informationsstand an einem “Freien Samstag” für die Besucher:innen vor Ort anwesend. Alle Anregungen und Erfahrungen, die wir in Gesprächen aufnehmen, fließen übrigens wieder in die Weiterentwicklung der App ein.
Die Integration digitaler Technologien auch in die Besucher:innenforschung ermöglicht eine engere Einbindung des Publikums. Das Besucher:innen—Feedback ist ein wichtiges Element unserer Arbeit, denn es ist uns wichtig, dass sich das Publikum im Haus wohlfühlt und eine schöne und inspirierende Zeit in unseren Ausstellungen und mit den Angeboten verbringt. Ob Dialog in den sozialen Medien, über das Gästebuch oder persönlich geführt wird, ein offenes Ohr für die Belange und die Rückmeldung der Besucherinnen und Besucher zu haben, liefert wichtige Impulse.
Seit Sommer 2023 beteiligt sich das Museum Wiesbaden zum Beispiel an einer wissenschaftlichen Online—Umfrage, die die Wahrnehmung des Museums untersucht und verschiedene Aspekte des Museumsbesuchs und —erlebnisses aus der Sicht des Publikums erforscht. Diese Studie begleite und betreue ich für das Museum. Zielgruppe dieser Forschung sind Besucher:innen und ebenso Nicht-Besucher:innen. Diese anzusprechen und ihre Perspektiven und Bedürfnisse in Bezug auf das Museum zu kennen, ist für uns immens wichtig.
Bis zum 30. April 2024 ist die Umfrage noch geöffnet. Dann folgt die Auswertungsphase, deren Ergebnisse auch vom Museum Wiesbaden veröffentlicht werden. Damit können wir die Erkenntnisse und die Konsequenzen, die wir daraus ableiten, mit dem Publikum teilen, und damit auch mit allen Teilnehmer:innen, die sich dem umfangreichen Fragenkatalog gestellt haben.
In meinem Volontariat genieße ich auch das Privileg, einen regen Austausch mit anderen Volontär:innen in Hessen zu pflegen. Die Volontär:innen Hessens sind sehr gut organisiert und es gibt regelmäßig Treffen, Tagungen und Veranstaltungen zu Themen aus dem musealen Arbeitsfeld. So lernen wir auch die Sammlungen und die Herangehensweise in anderen Häusern kennen.
Die Möglichkeit, daneben auch bundesweit Tagungen zu besuchen, erweitert meinen Horizont und ermöglicht mir, von den Erfahrungen anderer zu lernen und Wissensgebiete zu vertiefen, die ich besonders verfolgen möchte.
Weitere Informationen zum Volontariat in Hessen:
Das Volontariat bedeutet für mich einen wichtigen ersten Schritt in das Arbeitsfeld Museum. Durch die unterschiedlichen Themen der Projekte erarbeite ich mir ein sehr gutes Verständnis der vielfältigen Vorgänge im Haus. Für mich ist es jeden Tag eine Freude, an den Aufgaben zu arbeiten. Vor allem habe ich die Überzeugung, an bedeutenden Themen mitzuarbeiten und diese voranzubringen. Darüber hinaus kristallisieren sich für mich Themen heraus, die ich weiter verfolgen und vertiefen möchte — wie Besucher:innenorientierung und —forschung und Digitalisierung der ethnologischen Sammlung im Hinblick auf die Aufarbeitung kolonialer Kontexte. Die digitale Barrierefreiheit gehört ebenso zu diesen Fokusthemen und es ist kein Spoiler, wenn ich hier berichte, dass die Digital Unit aktuell an der entsprechenden Integration in die MuWi-App arbeitet.
Yvonne Finzler
Sprechen Sie mich jederzeit unter yvonne.finzler@museum-wiesbaden.de oder direkt unter Telefon 0611-335 2202 an. Ihre Fragen beantworte ich gerne.